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Politik: Zu schwach für Brüssel

Bund und Länder sind bei der EU nicht gut aufgestellt – Juristen sehen die Schuld nicht zuletzt in Berlin

Berlin - Viele Gesetze, an die sich Bürger und Wirtschaft in Deutschland halten müssen, gehen mittlerweile direkt oder indirekt von der Europäischen Union aus – doch in Brüssel gilt Deutschland als schlecht aufgestellt. Oft überstimmt, häufig zu spät mit eigenen Vorschlägen, und dann noch Zuständigkeitswirrwarr zwischen Bund und Ländern. Kein Wunder, dass Europa auch bei der Föderalismusreform eine wichtige Rolle spielt. Vor allem Bundestag und Bundesregierung hatten die „Europatauglichkeit“ zum wichtigen Maßstab der Reform erklärt, auch weil die Länder nach dem Grundgesetz ein Mitspracherecht in EU-Dingen haben.

Am zweiten Tag der großen Anhörung zur Föderalismusreform in Berlin müssen den versammelten Bundespolitikern am Dienstag allerdings die Ohren geklingelt haben. Denn gleich mehrere Sachverständige wiesen die Hauptverantwortung für die schlechte Vorstellung in Brüssel weniger den Ländern als vielmehr dem Bund zu. Etwa der Jurist Hans Meyer von der Humboldt-Universität: Er sieht das Defizit nicht zuletzt darin, dass in der EU-Politik der Bundesregierung die Einzelressorts zu sehr dominierten und es an wirksamer Koordinierung fehle. Der Göttinger Rechtsprofessor Christoph Möllers appellierte an den Bundestag, dies durch eine andere Organisation der Bundesregierung zu ändern.

Dass die Länder künftig in Fragen der Schul-, Kultur- und Rundfunkpolitik – alles Dinge in ihrer Verantwortung – deutsche Interessen in Brüssel allein durch einen Bundesratsvertreter wahrnehmen sollen, missfiel einigen Sachverständigen. Möllers meinte, nicht einmal Bundesstaaten wie die USA oder die Schweiz würden nach außen durch die Gliedstaaten repräsentiert. Der Heidelberger Europarechtler Peter-Christian Müller-Graff sah das „entspannter“: „Wir wagen ein Experiment, wenn es nicht klappt, hat man belastbare Erfahrungen.“ Die Staatsrechtler Peter M. Huber (München) und Ferdinand Kirchhof (Tübingen) wiesen zudem den Eindruck zurück, dass durch die Föderalismusreform die Umsetzung von EU-Recht schwieriger werde. In der Tat dürfte etwa im Umweltrecht das Gegenteil der Fall sein: Hier kann der Bund künftig EU-Vorgaben besser umsetzen.

Zwei besonders umstrittene Themen stehen an diesem Mittwoch an: der Strafvollzug, den die Länder künftig allein verantworten sollen, und die Sicherheitspolitik, weil das Bundeskriminalamt mehr Macht bei der Terrorbekämpfung bekommen soll. Gegen das Vorhaben beim Strafvollzug liefen die Verbände Sturm, auf den Machtzuwachs des BKA – Polizei ist Ländersache – pocht der Bund mit Vehemenz. Doch werden mehrere Gutachter hier widersprechen. Etwa Ulrich Battis von der Humboldt-Universität. Er schreibt zum BKA- Plan, „Fachkenntnisse vor Ort und die rasche Reaktionsfähigkeit“ seien „wichtiger als die Schaffung einer weiteren zentralen Behörde“. Das bringe auch nicht mehr Sicherheit für die Bürger. Und der Trierer Jurist Gerhard Robbers tritt Befürchtungen entgegen, das Gefängniswesen in Länderhand führe nur zu schlimmen Verhältnissen: „Die Vorzüge föderaler Vielfalt gelten auch im Blick auf den Strafvollzug.“ Innovationen, Experimente und Verbesserungen könnten leichter eingeführt werden.

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