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Politik: Zu viel der Freiheit

Egon Bahr im Interview mit ultrarechtem Blatt

Berlin – Er ist einer der großen, alten Männer der SPD und auch über die Partei hinaus hoch geachtet. Doch jetzt gerät Egon Bahr innerhalb wie außerhalb der Sozialdemokratie in die Kritik. Der ehemalige Bundesminister und Vertraute von Willy Brandt hat dem Chefredakteur des ultrarechten, von mehreren Verfassungsschutzbehörden beobachteten Wochenblatts „Junge Freiheit“ ein langes Interview gegeben – in der Zentrale der SPD, dem WillyBrandt-Haus im Berliner Stadtteil Kreuzberg. „Das ist unfassbar“, sagte der SPD-Bundestagsabgeordnete und Rechtsextremismus-Experte Sebastian Edathy am Sonnabend dem Tagesspiegel. Es sei „ein absolutes Unding, einer als rechtsradikal geltenden Zeitung im Willy-Brandt-Haus Gastrecht zu gewähren“. Edathy will jetzt dem SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering einen Brief schreiben, damit sich ein solcher Vorfall nicht wiederholt.

Harsche Worte fand auch Omid Nouripour, Mitglied des Bundesvorstands der Grünen. Bahr habe mit dem Interview „eine unverzeihliche Dummheit begangen“, sagte Nouripour dem Tagesspiegel. Der Grünen-Politiker warf Bahr vor, er habe sich vom „Revolverblatt der Neuen Rechten“ instrumentalisieren lassen. Mit der „Jungen Freiheit“ sollte kein Demokrat reden, „geschweige denn, sie ins eigene Haus lassen“.

Bahr war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Auch die Pressestelle der SPD versuchte am Sonnabend vergeblich, mit Bahr in Kontakt zu treten. Das Interview ist in der aktuellen Ausgabe der „Jungen Freiheit“ abgedruckt. Bahr gibt teilweise verwirrende Antworten. So sagt er einerseits, der Kniefall Willy Brandts – der SPD-Kanzler hatte mit dieser Geste 1970 in Warschau die jüdischen und polnischen Opfer des NS-Regimes geehrt – habe „deutsche Schuld bezeugt“. Dann folgt jedoch der Satz: „Aber kein Volk kann dauernd knieend leben.“

Die „Junge Freiheit“ wird regelmäßig in den Jahresberichten der Verfassungschutzbehörden des Bundes, Nordrhein-Westfalens und Baden-Württembergs unter dem Stichwort „Rechtsextremismus“ erwähnt. In der Ausgabe mit dem Bahr-Interview diffamiert ein Autor die westliche Wertegemeinschaft. Diese beanspruche „dauernde Gültigkeit ihrer willkürlichen Werte“.

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