zum Hauptinhalt
Apotheke in Dresden

© dpa

Zu viel Stress im Job?: Psychopharmaka werden zum Kassenschlager

Die Verordnung von Psychopharmaka in Deutschland steigt seit zehn Jahren kontinuierlich - wachsender Stress im Beruf könnte aus Sicht der Bundesregierung ein Grund dafür sein.

Von Matthias Meisner

Von Jahr zu Jahr steigt in Deutschland die Zahl verordneter Psychopharmaka - 2003 waren es 1,27 Millionen definierte Tagesdosen, 2007 dann beispielsweise 1,58 Millionen, 2010 schon 1,93 Millionen und 2012 dann 2,06 Millionen. Das war bislang der Höchststand, wie die Bundesregierung auf Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Klaus Ernst mitteilte. Eine Zahl für 2013 liegt noch nicht vor.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sind die Gründe für die gestiegenen Verordnungszahlen der verschreibungspflichtigen Medikamente vielfältig, wie es in der dem Tagesspiegel vorliegenden Antwort heißt. Als Einflussfaktoren komme zum Beispiel eine gestiegene Diagnoserate psychischer Störungen durch eine erhöhte Sensibilität von Ärzten und Psychotherapeuten, Verbesserungen in der Diagnostik sowie die gestiegene Bereitschaft betroffener Menschen, Betreuungsangebote in Anspruch zu nehmen, in Frage.

Mit Blick auf Arbeitnehmer hat das Ministerium eine alarmierende Vermutung. Die steigenden Zahlen von Diagnosen und vermehrte Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund psychischer Erkrankungen werde demnach diskutiert "im Lichte veränderter komplexer Arbeitsbedingungen mit steigenden Flexibilitäts- und Leistungsanforderungen". Allerdings heißt es in der Antwort von Gesundheits-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) auch: "Konkrete Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen arbeitsassoziierten psychischen Belastungen und der Entwicklung der Verordnungszahlen von Psychopharmaka liegen der Bundesregierung nicht vor."

Linke fordert Anti-Stress-Verordnung

Linken-Fraktionsvize Ernst wurde in seiner Schlussfolgerung deutlicher. "Stress im Job macht krank", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Wir brauchen eine Anti-Stress-Verordnung, die Arbeitnehmer vor psychischer Überlastung schützt".

Nach Alter und Geschlecht differenzierte Auskünfte gab die Regierung nicht. Allerdings hatten frühere Studien ergeben, dass Ärzte in Deutschland Frauen mehr Arzneimittel verschreiben als Männern. Besonders der häufige Einsatz von Psychopharmaka gilt demnach schon länger als Problem. Verschreibungspflichtig in Deutschland sind unter anderem Medikamente gegen Depressionen sowie Beruhigungsmittel.

Der Psychiater Joachim Bauer von der Universitätsklinik Freiburg hatte bereits vor einem Jahr in einem Interview davor gewarnt, das Burn-out-Syndrom mit einer Depression gleichzusetzen. Tabletten sind aus seiner Sicht bei arbeitsbedingter Erschöpfung keine Lösung. "Studien zeigen, dass die Mehrheit derjenigen, die von einem Burn-out-Syndrom betroffen sind, nicht an einer Depression leidet", sagte Bauer damals der "Welt".

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false