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Politik: Zu wenig Organe, zu viele Kliniken Debatte über Zentren für Transplantationen

Berlin - Die Forderung kommt inzwischen von den eigenen Interessenvertretern. Es sei „sinnvoll“, die Zahl der Transplantationszentren in Deutschland zu senken, sagte der Vorsitzende des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), Michael Albrecht, dem Tagesspiegel.

Berlin - Die Forderung kommt inzwischen von den eigenen Interessenvertretern. Es sei „sinnvoll“, die Zahl der Transplantationszentren in Deutschland zu senken, sagte der Vorsitzende des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), Michael Albrecht, dem Tagesspiegel. Allerdings müsse dies „mit Augenmaß“ geschehen, die Zentren müssten „regional vernünftig verteilt“ sein, und es dürften „keine Monopole entstehen“. Albrecht reagierte damit auf die jüngsten Organspendeskandale. Zuvor hatten bereits Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) und der Chef der Krankenkasse BarmerGEK gefordert, die Zahl der Kliniken, in denen Organe transplantiert werden, drastisch zu verringern.

„Wir haben viel zu wenig Organe und zu viele Transplantationszentren“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Barmer- GEK, Christoph Straub. „Wozu 44 Transplantationszentren, wenn 15 bis 20 ausreichen?“, fragte er und plädierte dafür, „kritische Größen“ festzulegen, „um Exzellenz, kollegiale Kontrolle und Patientensicherheit herzustellen“. Nach Straubs Worten sind die Fallzahlen der 44 Zentren „teilweise viel zu gering“. Die Mindestoperationsmengen, die der Gemeinsame Bundesausschuss festgelegt habe, würden bei Nierentransplantationen von rund zehn Prozent der 41 dafür infrage kommenden Kliniken unterschritten. Bei der Verpflanzung von Lungen kämen gar fünf von 24 Transplantationszentren nicht auf die vorgegebene Menge. Da die Fallzahl zu klein sei, könnten Qualitätskriterien „in vielen Fällen nicht überprüft werden“, heißt es in einer Studie der Kasse. Zudem, so Straub, könne die Konzentration auf größere Zentren dazu beitragen, dass Transplantationsmediziner nicht mehr dem Druck ausgesetzt seien, vorgegebene Mindestmengen erreichen zu müssen.

Als Zulassungskriterium schlug Straub vor, dass in der jeweiligen Klinik „mindestens zwei Herz- oder Lungentransplantationen und vier Leber- und Nierentransplantationen pro Monat“ erfolgen müssten. Nach einer aktuellen Studie seiner Kasse kamen etliche Zentren im ganzen vergangenen Jahr auf nicht mehr als fünf Verpflanzungen dieser Organe. Mit besonders niedrigen Quoten bei Nierentransplantationen fielen die Kliniken in Fulda, Göttingen, Ulm und auch das Herzzentrum in Berlin auf. In Dresden, Kiel, Göttingen und Bad Nauheim wurden 2011 nicht mehr als fünf Herztransplantationen durchgeführt. Bei Lungentransplantationen kamen die Kliniken in Kiel, Münster und Köln auf keine sechs Eingriffe, bei der Leber waren es die Kliniken in Rostock und Würzburg. Denkbar seien auch qualitative Vorgaben, etwa die Überlebensrate innerhalb eines Jahres, sagte Straub.

Zuvor hatte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) gefordert, die Zahl der Transplantationszentren zu halbieren. Nötig sei dafür aber „eine große Kraftanstrengung, weil das Interesse jeder einzelnen Klinik sehr groß ist“. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft etwa wehrt sich nach Kräften. Mit einer Verringerung der Kliniken wäre die Zumutung verbunden, Patienten „durchs ganze Land reisen“ zu lassen, warnte Hauptgeschäftsführer Georg Baum.

Angesichts solchen Widerstands ist der Vorstoß des Unikliniken-Verbandes umso auffälliger. Verbandschef Albrecht warnte aber vor Schnellschüssen. „Ob man 20, 25 oder 30 Zentren braucht, muss sorgfältig analysiert werden“, sagte er. Er ist damit zurückhaltender als sein Generalsekretär Rüdiger Strehl, der die Verringerung auf ein Drittel als „qualitativ, organisatorisch und wirtschaftlich geboten“ bezeichnet hatte. 15 Zentren reichten für das derzeitige Transplantationsvolumen, schrieb Strehl in der „Frankfurter Allgemeinen“ – und sie wären „auch einfacher zu überwachen“. Rainer Woratschka

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