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Der Karneval der Kulturen in Berlin - seine Strahlkraft ist unbezahlbar.

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Zukunft des Karneval der Kulturen: Warum der Regierende Bürgermeister aktiv werden muss

Gerade in Zeiten von Pegida ist die Strahlkraft des Karnevals der Kulturen ist unbezahlbar. Seine ungewisse Zukunft ist ein Alarmzeichen. Die Bürokratie darf solchen Initiativen keine Steine in den Weg legen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Nowakowski

Schaden wächst aus Gleichgültigkeit. Oder aus Überheblichkeit. Und ein Schaden wird es sein für Berlin, falls an Pfingsten nach 20 Jahren kein Karneval der Kulturen durch Kreuzberg zieht. Rund 1,3 Millionen Menschen sahen 2014 den Musikern und Tänzern zu, weltweit wurde Berlin erlebt als bunte, lebendige, junge und multinationale Metropole. Ein Glücksfall für das Stadtmarketing; unbezahlbar die Werbewirkung. Dennoch gibt es Anlass zur Sorge. Vier Monate vor dem Umzug steht noch kein Veranstalter fest, und die Finanzierung ist nicht gesichert. Die Zeit wird knapp.

Die Probleme des Karnevals, ein Markenzeichen der Stadt, weisen über den Einzelfall hinaus. Den Verantwortlichen mangelt es an Gefühl für Initiativen, die aus sich selbst heraus über Jahre gewachsen sind; Ereignisse, die nicht zu organisieren sind von der Politik, von denen die Gesellschaft aber profitiert. Es gibt eine Ignoranz, die engagierte Menschen an den Klippen einer gleichgültigen Verwaltung scheitern lässt, die nichts unterstützt, aber alles verhindert durch bürokratische Auflagen. Woher soll eine Initiative, die großenteils auf unentgeltliches Engagement gründet, hunderttausende Euro für ein Sicherheitskonzept bekommen? Das zweifellos nötig ist, weil der Karneval zum riesigen Ereignis gewachsen ist. Aber darf der Erfolg den Aktivisten zum Vorwurf gemacht werden?

Ein Verlust des Karnevals der Kulturen wäre in Zeiten von Pegida fatal

Ein Verlust des Karnevals der Kulturen wäre fatal in einer Zeit, wo Pegida-Aufzüge über Deutschland hinaus beunruhigende Bilder produzieren. Der stiefmütterliche Umgang mit dem Karneval erinnert an das Ende der Love-Parade. Mit Verwaltungsrecht und kleinlichem Streit um Straßenreinigungskosten oder zertrampeltes Grün im Tiergarten wurde eine Veranstaltung vertrieben, die so nachhaltig wie das Sommermärchen der Fußball-WM 2006 das positive Bild vom neuen, unbeschwerten Berlin prägte – und erhebliche Einnahmen bescherte.

Selbstverständlich hat alles seine Zeit. Falsch wäre, künstlich am Leben zu erhalten, was sich überlebt hat. Die Grüne Woche, die jetzt endet, ist auch nach 80 Jahren noch ungebrochen anziehend. Dagegen sind bei der Fashion Week, wo sich Labels zurückziehen und Stars seltener blicken lassen, die Abnutzungsspuren unübersehbar. Umso wichtiger ist da ein Fest wie der Karneval der Kulturen.

Der Stadt eine Bühne geben, ist unverzichtbar für Berlin – dem Ort ohne Geld, aber mit kreativem Kapital. Dies Kapital darf nicht verschleudert werden. Es zu fördern kostet wenig, doch seine Strahlkraft ist unbezahlbar. Die Unterstützung ist umso wichtiger im gegenwärtigen wirtschaftlichen Aufschwung. Je erfolgreicher die Stadt, desto mehr Probleme erwachsen für die freien Gruppen, für die Künstler und die ehrenamtlichen Initiativen: Die Freiräume werden enger, der Erfolgszwang größer, das Leben teurer, und der Verdrängungsdruck nimmt zu. In der kreativen Klasse macht sich deswegen zunehmend eine Fruststimmung breit.

Der ungesicherte Karneval der Kulturen ist ein Alarmzeichen. Es ist geboten, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller, der die Probleme der Stadtentwicklung kennt und als Kultursenator für deren Förderung und das Stadtmarketing verantwortlich ist, all dies zusammendenkt. Weil Berlin sich immer wieder neu erfinden muss, um lebendig zu bleiben. Dazu braucht es auch die Menschen, die sich engagieren, ohne zuerst einen Businessplan zu machen.

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