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Bundeskanzlerin Angela Merkel diskutiert auf der Abschlussveranstaltung des Zukunftsdialogs im Kanzleramt über die Ergebnisse der Arbeitsgruppen.

© dpa

Zukunftsdialog der Bundesregierung: Kluge Worte auf 219 Seiten

Die Bilanz der Dialog-Reihe über die Zukunft Deutschlands bleibt zwielichtig: Die Kanzlerin will „ehrfürchtig“ mit den Ergebnissen umgehen, konkrete Zusagen gibt Angela Merkel aber nicht.

So richtig vermochte es Angela Merkel auch bei der Schlussveranstaltung am Dienstag im Bundeskanzleramt nicht zu vermitteln: was denn nun genau das Ergebnis ihres „Dialogs über Deutschlands Zukunft“ sei. Sicher, da war der zu diesem Anlass überreichte 219 Seiten umfassende Ergebnisbericht des sogenannten „Expertendialogs“, neben drei Bürgerdialogen vor Ort und einem Online-Dialog eine der drei Säulen des im Mai 2011 gestarteten Prestigeprojekts. Und sicher fanden sich im Bericht des aus 134 unabhängigen Fachleuten bestehenden Gremiums deutlich inspirierendere Antworten auf die sowohl Experten als auch Bürgern gestellten Fragen danach, wie und wovon „wir“ zukünftig leben und lernen wollen, als in den teilweise wirren Diskussionen der Bürger im Internet und in den Stadthallen von Erfurt, Heidelberg und Bielefeld.

Aber da war eben auch die Kanzlerin, die in der 90-minütigen Diskussion mit den Experten zugewandt, aber durchaus vorsichtig auf die Forderungen etwa nach mehr Zusammenarbeit zwischen einzelnen Ministerien, Anerkennungsmechanismen für bürgerschaftliches Engagement, einer Neubewertung der Facharbeit und der Arbeit im Alter sowie individualisierter Jugendförderung durch „Potenzialentfaltungscoachs“ reagierte. „Sorgsam und ehrfürchtig“ wolle sie mit den Ergebnissen umgehen, versprach Merkel den Experten. Diese sollten ihre Erkenntnisse „nicht nur aufgeschrieben haben, damit es irgendwo steht“.

Konkretere Zusagen als die, dass man sich der genannten Themenfelder auf jeden Fall annehmen werde, mochte Merkel nicht machen. Die Frage, wie genau die weitere Arbeit mit den Ergebnissen nun vonstatten gehe und inwieweit dieser weitere Vorgang auch transparent gemacht werde, brachte die Kanzlerin merklich aus dem Konzept: Man wolle sich nun Gedanken machen, „wie es weitergeht“, vielleicht „über Internetseiten informieren, was wie in Angriff genommen wird“. Nicht nur für die Experten dürfte das eine ebenso unbefriedigende Antwort sein wie jene, die Regierungssprecher Steffen Seibert im Februar auf eine Anfrage des SPD-Bundestagsabgeordneten Carsten Schneider zu Zweck und Ziel des Zukunftsdialogs gab: Dessen Gespräche und Ergebnisse dienten „dem fachlichen Erkenntnisgewinn und der Meinungsbildung der Bundesregierung“, sie flössen „in Entscheidungsfindungsprozesse ein“.

Sollte der Aufwand tatsächlich derart wenig konkrete Ergebnisse zeitigen, könnte der Zukunftsdialog als Ganzes in einem ebenso zwielichtigen Andenken bleiben, wie es der im April abgeschlossene Online-Dialog bereits ist. Kosten von am Ende über 700.000 Euro, die einer Firma zugute kamen, deren Anteilseigner der Berliner CDU-Justizsenator Thomas Heilmann ist, standen Ergebnissen gegenüber, die auch aufgrund technischer Mängel massiv von Interessengruppen manipuliert worden waren – glaubte man dem Votum, ist das dringlichste Problem der deutschen Gesellschaft die Legalisierung von Cannabis.

Dementsprechend nonchalant ließ man das Experiment unter den Tisch fallen – beim Abschluss des Zukunftsdialogs am Dienstag war es schon nicht mehr Thema. In einem von Angela Merkel herausgegebenen Büchlein zu dessen Geschichte nimmt der Online-Dialog nur vier Seiten ein, die mit einem sehr skeptischen Urteil über die Demokratie im Netz enden. Die gebe vor allem denen ein Forum, die sich am besten organisieren und Zeit haben. Davon, dass das Projekt in erster Linie daran scheiterte, dass es den Seitenmachern bis zuletzt nicht gelang, Nutzer verlässlich zu authentifizieren, war hier nicht die Rede. Immerhin: Die verstärkte Förderung der Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien war eines der Themen, das die Experten auf der Agenda sehen wollen.

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