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Politik: Zum Abgang ein Fest

Die Generalaudienz nach der Rückzugsankündigung ist eine heitere Sache – Benedikt XVI. wirkt gelöst.

Aschermittwoch ist’s, aber in der großen Audienzhalle des Vatikans herrscht Volksfeststimmung. Eine Blaskapelle aus dem Allgäu ist aufgefahren. In Erwartung des Papstes unterhält sie die knapp neuntausend Besucher im Saal mit Marschmusik, und bei „Mein Heimatland“, wo das große „Heidi-Heidi-Heido-Heida“ anfängt, klatschen und jubeln alle mit: Deutsche und Brasilianer, Spanier, Kroaten, Franzosen, Slowaken; sogar der kühle englische Gospel-Chor, der da in feierlichen Ministrantengewändern ein paar vordere Reihen besetzt, lässt sich zu rhythmischem Mitwippen hinreißen.

Mittwoch ist’s also, der allwöchentliche Termin für die päpstliche Generalaudienz. Diese aber ist was Besonderes: die erste nach der Rücktrittsankündigung von Benedikt XVI. vom Montag. Nachdem in knapp acht Jahren Pontifikat mehr als 20 Millionen Menschen zu den Auftritten des Papstes geströmt sind, ist das nun fast schon der Abschied: Es bleibt jetzt nur mehr eine Generalaudienz, die am 27. Februar, dem Tag vor Benedikts Amtsende.

Und dann kommt er, 20 Minuten zu spät zwar, aber ohne Stock und ohne fahrbaren Untersatz. Er geht in die Betonhalle, breitet seine beiden Arme aus, während das Publikum ihn mit „Be-ne-detto- Be-ne-detto“-Rufen zu seinem Sessel geleitet, dann hebt er noch mal die beiden Arme ganz weit hoch, wie im Stadion, so wie Joseph Ratzinger das von seinem ersten Augenblick als Papst an getan hat. Und er lächelt.

Wer seine ersten Auftritte gesehen hat im April vor acht Jahren, der fühlt sich an diesem Mittwoch an diese zurückerinnert. Ratzingers Schüchternheit ist geblieben, aber einen müden Eindruck macht er nicht. Eher gelöst, erlöst wirkt er, und auch wenn seine dünne Stimme etwas krächzt – das tut sie fast immer –, sie kommt unerwartet fest rüber, als er anfängt: „Liebe Brüder und Schwestern! Wie ihr wisst, habe ich mich entschlossen ...“ – und dann geht vor rauschendem Beifall erst einmal gar nichts mehr.

„Ich habe mich zum Amtsverzicht entschlossen in völliger Freiheit, für das Wohl der Kirche.“ Unbewegt liest Benedikt XVI. das von seinem Zettel ab, als würde es ihn nicht betreffen: „Der Schwere dieses Akts bin ich mir bewusst, genauso bin ich mir aber auch bewusst, dass meine Kraft für die Anforderungen des Petrusamts nicht mehr ausreicht.“ Er habe, fährt der Papst fort, „in diesen für mich nicht leichten Tagen geradezu körperlich die Kraft des Gebets und der Liebe gespürt“, welche ihm die Gläubigen entgegengebracht hätten. Als der Applaus aufbrandet, dankt Benedikt spontan „für eure Sympathie“, und dann – kaum zwei Minuten hat seine Erklärung gedauert – geht er zur achtmal längeren Predigt des Tages über: über den Menschen, der in sich selbst geschlossen ist und sein Ziel verfehlt, wenn er sich Gott nicht öffnet. Was auffällt: Den Inhalt der Predigt wiederholt Benedikt in sieben Sprachen (darunter in Arabisch); seinen Rücktritt erklärt er nur auf Italienisch.

Nach einer guten Stunde setzt die Ruderatshofener Blaskapelle mit dem „Deutschmeister-Regimentsmarsch“ ihre Stimmungskanone wieder in Gang – und im Publikum findet’s eine kleine Regensburger Reisegruppe „einfach nur Wahnsinn: den Papst, und dass er das genau während unseren Rom-Ferien gemacht hat. Einmalig!“. Schmal sei er geworden, der Benedikt, sagen sie: „Des G’sichterl, was er ’kriegt hat!“ Und für den Rücktritt, für den bekunden sie ihm „allen Respekt“: „Diese Bescheidenheit! Das hätt’ kein anderer z’sammbracht. Man kann’s ihm vergönnen, dass er jetzt sei’ Ruah hat.“

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