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Politik: Zum Abzug entschlossen

Trotz neuer Gewalt im Gazastreifen – Israels Premier Scharon ändert seine Pläne nicht

Der israelische Abzug aus dem Gazastreifen wird stattfinden. In genau einem Monat werden die Siedlungsräumungen beginnen. Weder Terroristenbomben und -beschuss noch gewaltsame Protestaktionen der Siedler werden Ariel Scharon von seinem „einseitigen Loslösungsplan“abbringen. Höchstens ein Mega-Anschlag könnte noch eine Verzögerung herbeiführen. Für Scharon ist dies eine notwendige sicherheitspolitische Maßnahme. Und der israelisch-palästinensische Konflikt wird auch dann noch lange nicht beendet sein, die gewaltsame Konfrontation gar eher intensiviert werden.

So auch am Freitag: Nach dem Selbstmordanschlag von Netanja tötete die israelische Armee bei Luftangriffen im Westjordanland und im Gazastreifen insgesamt sieben Menschen. Wie palästinensische Sicherheitskreise mitteilten, feuerten Soldaten aus zwei Armeehelikoptern drei Raketen auf ein Auto mit zwei Hamas-Aktivisten und töteten sie beide. Bei dem Luftangriff in Gaza wurde vier Palästinenser getötet. In Gaza kam es auch zu heftigen Kämpfen zwischen der palästinensischen Polizei und Hamas-Kämpfern..

Derweil beschwört Regierungschef Scharon täglich die Öffentlichkeit: „Der Auftrag wird erledigt werden“, sagt er. Wie genau die Räumung der Siedlungen vonstatten gehen soll, darüber herrschen sehr gegensätzliche Ansichten und Pläne. Israels Armee und Polizei gehen davon aus, dass der Widerstand der Siedler diesmal erheblich größer, massiver und anhaltender ausfallen wird, als bei der Räumung der Sinai-Siedlungen vor 23 Jahren nach dem Friedensvertrag mit Ägypten.

Bei den betroffenen Siedlern wiederum herrscht Verunsicherung. Viele werden sich auf passiven Widerstand beschränken, und nur ein Bruchteil wird sich gewaltsam wehren – wobei die Extremisten hauptsächlich aus Siedlungen im Westjordanland „importiert“ wurden.

Bei den Palästinensern befürwortet die große Mehrheit der Bevölkerung eine Ruheperiode: Das Ende der 38-jährigen Besetzung im Gazastreifen soll unter keinen Umständen behindert werden. Die gleiche Ansicht vertritt die Regierung, die Palästinenserbehörde unter Präsident Mahmud Abbas. Doch für die oppositionellen Radikalislamisten von Hamas und Islamischer Dschihad, aber auch die rebellischen Al- Aksa-Brigaden der regierenden Fatah-Bewegung geht es darum, „einen zweiten Südlibanon zu inszenieren“. Obwohl der damalige israelische Regierungschef Ehud Barak den Truppenabzug aus der so genannten „Sicherheitszone“ im Südlibanon lange zuvor angekündigt hatte, feierte die Hisbollah diesen vor fünf Jahren als „Flucht des zionistischen Feindes vor dem Widerstand“. Genau den gleichen Nachweis wollen nun Hamas & Co. im Gazastreifen erbringen und haben deshalb in dieser Woche den von Abbas ausgehandelten internen Waffenstillstand zum Scheitern gebracht.

Für Scharon und seine Regierung aber bleibt klar: „Es wird keinen Abzug unter Feuer geben.“ Trotzdem sind sich praktisch alle Experten einig, dass es während des Abzuges zu Kämpfen kommen wird. Das weiß auch Scharon. Es stehen also blutige Zeiten bevor. Und danach werden politisch turbulente Zeiten folgen. Weder Scharon noch Abbas haben konkrete Pläne für die Zeit danach vorgelegt – weil sie wohl keine haben. Scharon hat vor zwei Tagen erstmals von den seiner Meinung nach später anstehenden politischen Aufgaben gesprochen: in erster Linie von der Bekämpfung der internen Gewalt, welche Israels Gesellschaft zunehmend erschüttert. Er will also Innenpolitik betreiben, wohl im Glauben, dass die Palästinenser ihrerseits ihren vertraglichen Verpflichtungen im Rahmen der Road Map nicht nachkommen werden und er deshalb vom Nahost-Quartett USA, EU, UN und Russland nicht in die Pflicht genommen wird. Der Koalitionspartner Arbeitspartei will aber noch viele Siedlungen im Westjordanland räumen, sie zu Siedlungsblöcken zusammenfassen, und den Palästinensern territorialen Ersatz mittels Gebietsaustausch bieten.

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