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Politik: Zum Jahrestag des Aufstandes verschärfte Sicherheitsmaßnahmen

Die Bewohner von San Jeronimo Tulija und Taniperlas können das ganze Jahr über ihres Lebens nicht sicher sein. Doch die Ereignisse der vergangenen Wochen haben die selbstverwalteten Dörfer im Lacandona-Dschungel im mexikanischen Bundesstaat Chiapas in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt: Über den Hütten der Maya-Bevölkerung kreisen Militärhubschrauber, Soldaten kontrollieren alle Verbindungsstraßen.

Die Bewohner von San Jeronimo Tulija und Taniperlas können das ganze Jahr über ihres Lebens nicht sicher sein. Doch die Ereignisse der vergangenen Wochen haben die selbstverwalteten Dörfer im Lacandona-Dschungel im mexikanischen Bundesstaat Chiapas in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt: Über den Hütten der Maya-Bevölkerung kreisen Militärhubschrauber, Soldaten kontrollieren alle Verbindungsstraßen.

Die Paramilitärs, die sich die Jagd auf Sympathisanten der Guerillagruppe Zapatistische Nationale Befreiungsarmee (EZLN) zur Aufgabe gemacht haben, sind nach Angaben eines Sprechers noch aggresiver als sonst, und auch Polizisten "geben Warnschüsse ab und bedrohen die Leute".

In der Silvesternacht jährt sich zum sechsten Mal der Angriff der EZLN-Rebellen auf San Cristobal de las Casas und weitere Orte in Chiapas, und die mexikanische Regierung hat zum Stichtag noch einmal ordentlich aufgerüstet. Mindestens 5000 Polizisten und Soldaten sind nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen zusätzlich in den südlichen Bundesstaat verlegt worden; die Gesamtzahl der Sicherheitskräfte liege jetzt bei etwa 60 000.

Vor allem in den 38 selbstverwalteten Kommunen der EZLN-Anhänger im Norden von Chiapas hat sich angesichts der massiven Militarisierung Angst breit gemacht. Die Truppen sind nicht nur dafür bekannt, dass sie den mindestens sechs paramilitärischen Gruppen in der Region den Rücken freihalten - auch sie selbst terrorisieren die indigene Bevölkerung. Drohungen, willkürliche Festnahmen und Folter unter dem Vorwand der Aufstandsbekämpfung sind an der Tagesordnung, bestraft werden die Täter fast nie.

Während Menschenrechtler und die EZLN das massive "Sicherheitsaufgebot" über Weihnachten und den Jahreswechsel als Schikane verurteilten, wollte die Regierung des Bundesstaates zunächst von Plänen für eine Neuauflage des Zapatisten-Aufstands vom 1. Januar 1994 erfahren haben. Der Justizminister von Chiapas, Eduardo Montoya, hatte jedoch offenbar vergessen, diese Legitimierungs-Variante mit der Bundesregierung abzustimmen und wurde nach einer Aufsehen erregenden Pressekonferenz zurückgepfiffen. Von Angriffsplänen der EZLN könne keine Rede sein, erklärte Innenminister Diodoro Carrasco in Mexiko-Stadt. Die Streikräfte im Süden gehörten zu einem landesweiten Sicherheitsprogramms aus Anlass des Jahrtausendwechsels.

Carrasco hatte offenbar mehr Angst als Montoya, sich lächerlich zu machen. Denn nach Ansicht von Oppositionspolitikern und Menschenrechtlern mit Kontakten zu den Rebellen im Lacandona-Dschungel entbehren die Gerüchte über eine anstehende Zapatisten-Offensive jeder Grundlage. Im Gegensatz zu den Rebellen führe die Regierung jedoch tatsächlich Krieg, und zwar gegen die hungernde Zivilbevölkerung. "Sie versucht, die politische Kontrolle im Staat zurückzuerobern, indem sie nicht nur gegen die EZLN sondern auch ihre Sympathisanten vorgeht", heißt es in einem Bericht des Menschenrechtszentrums Fray Bartolome de las Casas. Dazu gehöre auch die Strategie der Behörden, staatliche Hilfe nur Personen mit der "richtigen" politischen Gesinnung zukommen zu lassen.

Unterdessen warnte der Parlamentsausschuss für Versöhnung und Befriedung (Cocopa) angesichts der angespannten Lage vor neuen Gewalttaten paramilitärischer Gruppen. Abgeordnete errinnerten an das Massaker von Acteal vom 22. Dezember 1997, bei dem 45 Tzotzil-Indianer umgebracht wurden. Die Verantwortlichen für die Bluttat seien immer noch nicht zur Rechenschaft gezogen worden, "weil dazu der politische Wille fehlt", sagte Cocopa-Mitglied Carlos Payan.

Dass es noch vor den mexikanischen Präsidentschaftswahlen im kommenden Juli zu Friedensgesprächen mit der EZLN kommen könne, halte er aufgrund der kontraproduktiven Regierungsstrategie für unwahrscheinlich, sagte Payan weiter. Der Abzug der Armee und die Entwaffnung der Paramilitärs gehören zu den Bedingungen der Rebellen für eine Rückkehr an den Verhandlungstisch. Die EZLN, die sich auf Stützpunkte im Lacandona-Dschungel zurückgezogen hat, fordert seit 1994 ein Ende von Unterdrückung und Ausbeutung der Urweinwohner in Chiapas.

Sigrun Rottmann

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