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Politik: Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig

FÜHRUNGSKRISE DER PDS

Von Matthias Meisner

Wenn Gregor Gysi und Lothar Bisky die PDS noch führten, wie stände sie dann da? Der Machtkampf wäre zu Gunsten der Reformer entschieden, die Partei beständig auf dem Weg in den Westen. Ja, so träumten manche in der PDS: Wäre Gysi Berliner Wirtschaftssenator geblieben und dominierte die Talkshows der Nation, dann wären die Genossen auch bei der Bundestagswahl nicht gescheitert. Mancher träumt das noch immer. So ist es nicht gekommen. Droht der PDS jetzt das Aus?

Doch so konnte es gar nicht kommen. Nicht nur, weil sich Gysi und Bisky vor drei Jahren den Dogmatikern beugten und aus der Parteiarbeit flohen. Sondern weil die Diskrepanzen in den PDS-Reihen so groß waren. Und sind: zwischen jenen, die einfach nur die besseren Sozialdemokraten sein wollen, und denen, die ihren sozialistischen Fundamentalismus verteidigen. Im Jahr 2000 hatte die PDS zu ihrem ersten und einzigen Parteitag im Westen eingeladen, nach Münster. Er steht für den Niedergang des Projekts einer gesamtdeutschen modernen Linkspartei. Im Konflikt um UN-Friedenseinsätze unterlagen Gysi und Bisky. Münster war der Anfang vom Ende einer bundesweiten PDS. Auch wenn das für kurze Zeit noch überdeckt wurde vom Höhenflug Gysis und der Partei bei der Berliner Wahl zum Abgeordnetenhaus.

Und dabei ist es im Grundsatz geblieben. Nur, dass die Flügel- und Machtkämpfe unter der schwachen Führung der nun abtretenden Vorsitzenden Gabi Zimmer erst so richtig zelebriert wurden. Die Hoffnung, Gysi und Bisky könnten jetzt die Konflikte austragen und gewinnen, für die ihnen damals, in einer Zeit der Stärke, die Kraft fehlte, ist ziemlich abwegig. Im Westen haben Sektierer das Sagen. Und im Osten herrschen die Alten: Drei Viertel aller Parteimitglieder sind über 65 Jahre alt.

Dennoch, der Osten ist das, was der Partei in ihrer Dauerkrise geblieben ist, zumindest für eine Weile noch. 2004 werden in Brandenburg, Sachsen und Thüringen neue Landtage gewählt. In den Umfragen halten die Sozialisten mit den Sozialdemokraten mit, im einen oder anderen Land könnte die PDS sogar die SPD überrunden. Nach wie vor gelingt es weder Sozial- noch Christdemokraten, den Anhängern der SED-Nachfolgepartei in größerer Zahl eine neue politische Heimat zu bieten. Von der PDS Enttäuschte gehen ins Lager der Nichtwähler oder wenden sich gar radikalen Rechtsparteien zu. Eine Vormachtstellung wie die CSU in Bayern hat die PDS nicht, wird sie auch als Ostpartei nicht gewinnen.

Erschwerend kommt hinzu: Die PDS ist keine reine Oppositionspartei mehr. Die Kompromisse, die ihr das Mitregieren abfordert, machen ihr auch im angestammten Terrain zu schaffen. Der mecklenburgische Umweltminister Wolfgang Methling, ein Favorit für die Zimmer-Nachfolge, hat auch deshalb abgesagt, weil er sich den Konflikt nicht antun will. Als PDS-Vorsitzender müsste er die SPD angreifen, am Kabinettstisch zugleich ein guter Vize des SPD-Regierungschefs Harald Ringstorff sein. Die SPD muss da weniger Rücksicht nehmen. Till Backhaus, ihr neuer Vorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern, giftet schon gegen die PDS. Die rot-roten Koalitionen in Berlin und Schwerin muss es nicht ewig geben. Die SPD hat Alternativen, die PDS nicht.

So links, wie es ihre Plakate suggerieren, ist die PDS ohnehin nicht. Pragmatismus regiert. In Sachsen machte das Schlagwort vom „ideologiefreien Sozialismus“ die Runde. Der Preis des verschleppten Kampfes um den offiziellen Kurs: Im Bund spielt die PDS keine Rolle mehr. Sie ist zurückgefallen auf das Niveau einer Regionalpartei. Wer auch immer die Zimmer-Nachfolge antritt und den nötigen Machtkampf wagt, muss damit rechnen, von einem der Flügel aus dem Amt gemobbt zu werden. Weicht er oder sie der Auseinandersetzung aus, ist nichts zu gewinnen. Die heutige Macht als Regionalpartei, das ist zum Sterben zu viel. Fürs Leben reicht es auch nicht.

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