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Politik: Zur Allianz verdammt

Von Christoph von Marschall

Jetzt wird’s ernst. George besucht Angela in Ostdeutschland – das ist von anderem Kaliber als die ersten zwei Begegnungen in Washington im Januar und Mai. Damals war es für beide leicht, eine gute Figur zu machen. Bush führte Merkel als Beweis der wiedergefundenen deutsch-amerikanischen Freundschaft vor, als Beleg, dass die USA auch unter ihm Verbündete haben, und als wandelndes Beispiel seiner „freedom agenda“: Aus Diktaturen werden Demokratien, wie in Osteuropa, so in Arabien. Amen. Die Kanzlerin nahm die herzlichen Bilder gerne hin als Ausweis ihrer weltpolitischen Bedeutung. Es genügte ja, Guantanamo zu kritisieren und an den Irak zu erinnern, um Distanz zu wahren.

Doch politische Freundschaften sind kein Selbstzweck. Ob Reformdebatte im Inland oder Außenpolitik, am Ende zählen nicht gute Absichten, sondern messbare Ergebnisse. Die Bundesregierung sei jetzt Amerikas wichtigster Verbündeter, heißt es. Kann Merkel und kann Deutschland die Erwartungen erfüllen, die damit verbunden sind? Ihr Kapital bei Bush speist sich ja nicht allein aus deutscher Stärke, sondern mindestens so sehr aus der Schwäche der anderen potenziellen Partner in Europa. Man muss nicht gleich zu dem Sprichwort greifen, wonach die Einäugige unter Blinden eine Königin ist. Doch Bush hofiert Merkel auch, weil Blair innenpolitisch gelähmt ist und Chirac international schon lange kaum noch zählt.

Zweitens hat die Bereitschaft der deutschen Gesellschaft zur „partnership in leadership“ mit diesem Präsidenten enge Grenzen. Die Bilder der Proteste, die Bushs Besuch begleiten, zeigen die Verhältnisse ehrlicher als das Eiapopeia bei Merkels zwei USA-Visiten. Natürlich, Deutschland hat Bedeutung – mehr als viele Deutsche sich eingestehen wollen oder gerne sehen. Die Bundesrepublik spielt eine Schlüsselrolle im Bemühen, eine iranische Atombombe zu verhindern. Sie ist drittstärkste Wirtschaftsmacht der Welt und übernimmt demnächst den Vorsitz in G 8 und EU.

Führungsmacht zu sein, heißt jedoch selten, dass man seinen Willen durchsetzt. Die Rolle verlangt Deutschland schmerzliche Kompromisse ab. Wie weit ist diese Einsicht verbreitet – und wie groß die Bereitschaft, ihr auch im Verhältnis zu diesem US-Präsidenten zu folgen? Mehr Einfluss geht mit mehr Verantwortung einher. Was, wenn Teheran nicht einlenkt? Wenn Afghanistan blutiger wird? Wenn die sichere Versorgung mit russischem Gas nur um den Preis zu haben ist, zu Wladimir Putins Umgang mit der Demokratiebewegung zu schweigen? Je mächtiger Deutschland ist, desto schwieriger, unpopulärer und moralisch anfechtbarer werden die Entscheidungen, die Merkel treffen muss.

Bush scheint inzwischen verstanden zu haben, dass er Verbündete braucht. Seit Monaten versucht er, den Eindruck zu erwecken, dass er zuhört, auf Kritik eingeht. Gegenüber dem Iran und Nordkorea setzt er geduldig auf internationale Diplomatie. Er sagt, er will Guantanamo schließen. Ganz offiziell erkennt er jetzt an, dass auch Terrorgefangene Anspruch auf alle Rechte der Genfer Konvention haben. Gewiss, solche Wenden haben ihm nicht in erster Linie die Deutschen und andere Verbündete abgetrotzt. US-Richter und die blutige Bilanz seines Irakkriegs hatten größeren Anteil. Aber es sind Ansatzpunkte, wo Deutschland auf weitere Korrekturen einer US-Politik drängen soll, deren Folgen die ganze Welt mitzutragen hat.

Bush ist kein Wunschpartner für Merkel. Aber die Welt ist nicht in einem Zustand, in dem die Bundesregierung die zweieinhalb Jahre ruhig abwarten kann, bis ein neuer Präsident ins Amt kommt. Bush und Merkel sind zur Allianz verdammt – von Iran und Irak über Afghanistan und Russland bis zu den G 8. Die Kanzlerin hat bei Bush Kapital gesammelt, nun muss sie es einsetzen – freilich ohne ihren Einfluss zu überschätzen. Bush ist gerade 60 geworden, sie wird ihn nicht ändern. Aber von seinem Besuch in ihrem Land muss mehr bleiben als nette Erinnerungen mit noch mehr netten Fotos.

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