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Politik: Zur Folter ausgeflogen

Sonderermittler des Europarats legt Beweise für ein System der Verschleppungen durch die CIA vor

Berlin - Die Regeln zum Umgang mit Terrorverdächtigen sind klar und einfach strukturiert: „Wenn man eine eingehende Befragung wünscht, sendet man den Gefangenen nach Jordanien. Wenn man sie gefoltert wissen will, sendet man sie nach Syrien. Und wenn jemand verschwinden soll, dann schickt man ihn nach Ägypten.“ Damit zitiert Dick Marty einen früheren CIA- Agenten. Marty, der Sonderermittler des Europarats, hat jetzt seinen ersten Bericht zu den vermuteten CIA-Gefängnissen und CIA-Entführungen in Europa vorgelegt. Es ist erst ein Zwischenbericht. Doch nach dem, was Marty zusammengetragen hat, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass der US-Geheimdienst CIA in Europa systematisch Verdächtige entführt und auch in Folterländer gebracht hat. Einzelne Fälle sind bereits erwiesen. Es sei „sehr unwahrscheinlich“, sagte Marty, „dass die europäischen Regierungen oder zumindest ihre Geheimdienste nicht davon gewusst haben“. In seinem Bericht spricht der Sonderermittler von einem „System der Überführung oder der Auslagerung von Folter“. Mehr als 100 Menschen seien in Europa im Rahmen des „rendition“-Programms zur Terrorbekämpfung entführt worden. Was der Schweizer Liberale und ehemalige Staatsanwalt gesammelt hat, ist – neben Aussagen von Ex-CIA-Leuten – bisher eine lange Aufzählung von einzelnen Erkenntnissen, aus deren Summe Marty seine Schlüsse zieht. Als Hauptbeweise zitiert er die auch von nationalen Behörden verfolgten Fälle des in Italien entführten Extremisten Abu Omar und des Neu-Ulmers Khaled al Masri. Dazu kommt die dokumentierte Entführung zweier Ägypter aus Schweden.

Die 283 registrierten Anflüge von CIA-gecharterten Flugzeugen auf die Flughäfen Frankfurt, Berlin und Ramstein sind für den Ermittler ein weiterer Baustein, um das System des Folter-„Outsourcing“ zu illustrieren. Frankreich hat bislang zwei zu untersuchende CIA-Flüge gemeldet, Spanien mindestens drei, in Finnland wird ein Flug untersucht. Norwegen hat noch keine Antwort auf die Frage nach einem CIA-Flug im Juli 2005, andere Staaten haben entweder noch keine Daten geliefert oder warten noch auf Erklärungen der US-Behörden zu ihren Anfragen. Auch ein Pressebericht über ägyptische Geheimdiensterkenntnisse zu Geheimgefängnissen in Rumänien, Bulgarien, der Ukraine, Mazedonien und im Kosovo geht in Martys Ermittlungen mit ein. In Bosnien-Herzegowina untersucht er den Fall von sechs nach Guantanamo verschleppten Bosniern.

Am Montag hat nun die Flugaufsichtsbehörde Eurocontrol Informationsmaterial zur Verfügung gestellt, ebenso das EU-Satellitenzentrum. Aus diesen Materialen erhofft sich Marty Erkenntnisse sowohl über CIA-Flüge als auch über mögliche Standorte der angeblichen Gefängnisse. Denn der Beweis für Geheimgefängnisse steht noch aus.

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