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Politik: Zurück zum Absender

Bundeswehrsoldaten klagen gegen US-Hersteller von Radargeräten. Sie verlangen Schadenersatz für zu hohe Strahlenbelastungen

Seit Jahren kämpfen sie um Anerkennung und ein paar hundert Euro Rente für ihre ruinierte Gesundheit. Nun hat der Streit um Strahlenopfer von Bundeswehr und den Streitkräften der DDR eine neue Dimension erhalten. 450 frühere Bundeswehrsoldaten, die davon überzeugt sind, während ihrer Dienstzeit im Umgang mit amerikanischen Radargeräten radioaktiv verstrahlt worden zu sein, können die Hersteller der Geräte auf Schadenersatz verklagen. Streitwert: 450 Millionen US-Dollar. Ein Gericht in El Paso, im US-Bundestaat Texas, ließ die Klage der Deutschen und von Soldaten anderer Nato-Staaten zu. Die Kanzlei des Klägeranwalts Reiner Geulen bestätigte einen entsprechenden Bericht der „Financial Times Deutschland“.

Insgesamt sind nach Geulens Angaben 800 Opfer aus Dänemark, den Niederlanden, den USA und Deutschland beteiligt. Sie werfen den Firmen vor, sie nicht über die Gefahren der Geräte aufgeklärt zu haben. In Deutschland laufen gleichzeitig sieben Musterklagen von Geschädigten der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee (NVA) gegen das Verteidigungsministerium. Auch hier geht es um Schadenersatz und Schmerzensgeld. Die Verantwortlichen hätten um die Risiken gewusst, sagt Peter Rausch vom „Bund zur Unterstützung Radargeschädigter“. „Angesichts der Bedrohung im Kalten Krieg hat man auf beiden Seiten in Kauf genommen, dass Soldaten zu Schaden kommen. Das kann ich sogar verstehen. Mich verbittert aber, dass man uns nun Entschädigungen verweigert.“

Mehrere tausend frühere Soldaten in Deutschland leiden an Krebs. Da für die bis Mitte der 70er Jahre eingesetzten Geräte keine Strahlenwerte vorliegen, lässt sich in vielen Fällen kaum beweisen, dass die Krebserkrankungen auf die Arbeit an den Anlagen zurückzuführen sind. Eine Expertenkommission sah dies im Sommer 2003 jedoch als wahrscheinlich an und empfahl eine großzügige Handhabung. „Dies wird eins zu eins umgesetzt“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums dem Tagesspiegel. 230 von 1800 Antragstellern seien inzwischen als Wehrdienstbeschädigte anerkannt worden und erhielten Renten. „Nach den von der Kommission vorgeschlagenen Kriterien müssten viel mehr Betroffene anerkannt werden“, urteilt hingegen Peter Rasch. Er geht zudem von insgesamt 3000 Anträgen aus.

Die Klagen in den USA wollte der Ministeriumssprecher nicht kommentieren. Hier handle es sich um die persönlichen Angelegenheiten deutscher Staatsbürger. Das Ministerium gehe aber davon aus, dass die Hersteller der Radargeräte entsprechend dem damaligen Wissensstand alle erforderlichen Sicherheitsbestimmungen erlassen hätten.

Die ehemaligen NVA-Soldaten könnten gegen die Hersteller ihrer Technik nicht vorgehen. „Viele existieren gar nicht mehr“, sagt Thomas Förster vom Interessenverband der NVA-Soldaten. Doch dies ist nicht Försters Hauptsorge: Er sieht eine krasse Benachteiligung der NVA-Soldaten. Bislang habe kein einziges NVA-Radaropfer eine Rente zugesprochen bekommen. „Man behandelt uns wie Menschen zweiter Klasse.“ So habe das Ministerium zugestimmt, die Verjährungsfrist für Ansprüche von Bundeswehrangehörigen aufzuheben, nicht jedoch für die von NVA-Soldaten. Mindestens 1100 frühere NVA-Soldaten sind an Krebs erkrankt. Viele werden das Ende der drei in Frankfurt an der Oder eingereichten Musterklagen nicht mehr erleben. Das Ministerium habe angekündigt,durch alle Instanzen gehen zu wollen, sagt Förster. „Es setzt auf die biologische Lösung des Problems.“

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