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Politik: Zurückhaltung à la française

Paris schweigt zu Drohungen aus Washington, um die Beziehungen nicht weiter zu belasten – doch die Amerikaner legen nach

Die Drohung des amerikanischen Außenministers Colin Powell, Frankreich müsse wegen seiner massiv ablehnenden Haltung gegenüber einem US-Krieg im Irak mit Konsequenzen rechnen, hat bei den Franzosen mehr Beunruhigung ausgelöst, als offiziell zugegeben wird. Auch ein „sehr herzliches“ Telefonat zwischen dem französischen Außenminister Dominique de Villepin und seinem US-Kollegen Colin Powell hat die Aufregung im Pariser Außenministerium nicht gemindert.

Das ist auch ein Grund dafür, dass die ansonsten recht selbstbewusst auftretenden Pariser Spitzenpolitiker es derzeit lieber mit dem Sprichwort halten „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Frankreich will die seit Jahresbeginn auf einem historischen Tiefpunkt angelangten Beziehungen mit den USA nicht noch mehr belasten – aus Rücksicht auf die europäischen Partner, im Hinblick auf künftige wirtschaftliche Interessen im Irak und schließlich auch wegen des Drucks aus den Reihen konservativer französischer Politiker.

Deshalb hat Frankreichs Regierung gleich nach dem Fall des Regimes in Bagdad mit kleinen Gesten begonnen, auf die Amerikaner zuzugehen. Letzter Schritt in dieser Richtung war der Vorschlag, die UN-Sanktionen gegen den Irak wenigstens vorübergehend auszusetzen. Für die Franzosen ist es schwer zu verstehen, warum die Bush-Regierung darauf wenig begeistert reagierte.

Bei den Kommentatoren und Politikwissenschaftlern gehen die Meinungen über die Zukunft des französisch-amerikanischen Verhältnisses weit auseinander. Denis Lacorne, Amerika-Experte an der Pariser Universität, sieht in der Drohung der USA beispielsweise „nur eine Warnung, die heißen soll: Achtung Frankreich, jetzt nicht noch eine zweite Veto-Drohung“.

Der Direktor des französischen USA-Zentrums, Guillaume Parmentier, warnt dagegen vor dem „Europa-Effekt“, der sich über kurz oder lang gegen Frankreich richten könnte. „Wenn die Beziehungen zwischen Paris und Washington noch länger angespannt bleiben, werden es unsere europäischen Partner vermeiden, sich unseren Konzepten für ein autonomes Europa mit einer eigenen Verfassung anzuschließen.“

Die Amerikaner hätten dann, so äußerte sich Nicole Gnesotto, US-Expertin bei der Europäischen Union, genau das erreicht, was sie eigentlich schon immer wollten: die Verhinderung eines geeinten Europas. Frankreich spiele beim aktuellen transatlantischen „Kräftemessen“ plötzlich eine entscheidende Rolle.

Präsidenten-Sprecher Ari Fleischer sagte unterdessen, Frankreich werde nicht „bestraft“. US-Außenamtssprecher Richard Boucher bekräftigte jedoch am Donnerstag, die Differenzen mit Frankreich seien „schwerwiegend und schwierig“. Zudem betonte Boucher, diese Meinungsverschiedenheiten würden Konsequenzen für die Beziehungen zwischen den beiden Ländern nach sich ziehen.

Aus Verärgerung über Frankreichs Irak-Politik wolle US-Präsident George W. Bush gar beim bevorstehenden G-8-Gipfel Anfang Juni im französischen Evian auf der Schweizer Seite jenseits des Genfer Sees übernachten, berichtete die „New York Times“ am Donnerstag. Ein französischer Diplomat wies im Gespräch mit der Zeitung allerdings darauf hin, dass die Schweiz noch weitaus entschiedener als Frankreich die amerikanische Irak-Politik abgelehnt habe. Fleischer trat den Berichten über Bushs Übernachtungs-Pläne entgegen: Solche Pläne habe es niemals gegeben, sagte Bushs Sprecher. „Der Präsident wird in Frankreich und nirgendwo anders übernachten.“

Sabine Heimgärtner[Paris]

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