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Politik: Zustimmung im Trippelschritt

Die CDU-Chefin ärgert sich, weil die Industrie die Reformen des Kanzlers lobt. Aber auch sie findet nicht alles falsch

Von Robert Birnbaum

Auf Michael Rogowski ist Angela Merkel nicht so gut zu sprechen. Der Industriepräsident hat der SPD nämlich bescheinigt, dass sie mit ihrem Parteitagsbeschluss für Gerhard Schröders Reform-Agenda 2010 in der Wirklichkeit angekommen sei. Das Lob findet die CDU-Chefin an sich schon übertrieben. Dass es ausgerechnet ein Mann ausspricht, den die Union bisher fest als Verbündeten im Streit um den Reformbedarf in diesem Land verbucht hatte, wurmt sie ersichtlich noch viel mehr. „Die Sozialdemokraten sind eben nicht in der Wirklichkeit angekommen“, sagt Merkel. Sie sagt es so ähnlich gleich zwei Mal kurz hintereinander.

Weil die Opposition von Schröders letztlichem Sieg bei dem Agenda-Sonderparteitag ohnehin ausgegangen ist, entspricht ihre Reaktion ansonsten in etwa dem, was CDU, CSU und FDP auch vorher schon gesagt haben. Der Tenor ist also bekannt: „Trippelschritte“ nennt Merkel Schröders Reformpaket, wenngleich immerhin solche in die richtige Richtung. Aber das gehe alles bei weitem nicht weit genug, und überdies werde der Effekt durch den Beschluss des Parteitags gleich wieder zunichte gemacht, weitere Steuererhöhungen etwa auf Erbschaften oder Vermögen prüfen zu wollen. „Die SPD glaubt, sie habe den Mount Everest bestiegen“, spottet im gleichen Sinne auch FDP-Chef Guido Westerwelle, „dabei steht sie gerade mal auf einem Maulwurfshügel“.

Gleichwohl signalisiert die Opposition, dass sie Schröders Agenda begrenzt mitzutragen bereit ist. Allerdings mit einigen bemerkenswerten Einschränkungen. „Im Grundsatz“, sagt Merkel, gelte das Ja für die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, „grundsätzlich“ auch für Kürzungen beim Arbeitslosengeld. Doch hänge die Zustimmung der Union davon ab, wie diese Grundsatzpläne sich letztendlich als Gesetzestext lesen. Damit ist viel Raum für Interpretationen und Streit gegeben. „Zeitlich verschleppen werden wir nichts“, versichert Merkel zwar. Doch da sie selbst nicht vor Herbst damit rechnet, dass die Bundesregierung Gesetzestexte formuliert hat, und dann das Gesetzgebungsverfahren im Zweifel erst im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat zum Abschluss kommt, ist absehbar, dass die Agenda 2010 selbst im günstigsten Fall kaum vor dem Winter umgesetzt wird. Bis die Gesetze dann wirken, vergehen weitere Monate – Monate, in denen absehbar die Konjunktur- und Arbeitslosenzahlen schrecklich bleiben.

Bei anderen Teilen der Regierungspläne gibt sich die Union hart. „Absolut unzureichend“ sei die geplante Änderung beim Kündigungsschutz – sie glaube nicht, dass CDU und CSU da zustimmen könnten, sagt Merkel. Ebenfalls eine „harte Konfrontation“ (Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz) steht in der Gesundheitspolitik bevor. Dass die SPD das Krankengeld künftig aus der normalen Kassenleistung ausgliedern und in eine Privatversicherung auslagern will, lehnt die Union ab; sie will die leeren Kassen stattdessen durch höhere Zuzahlung der Patienten füllen lassen. Ein Kompromiss scheint schwer möglich – schon gar nicht einer vor der bayerischen Landtagswahl im Herbst.

Im Kern herrscht über diese Strategie in der Union Einigkeit. Als „freundlich im Ton, hart in der Sache“ beschreibt Präsidiumsmitglied Hermann-Josef Arentz den Kurs. „Alles, was vernünftig ist, wird von uns mitgetragen“, versichert Hessens Regierungschef Roland Koch. Aber der Kooperationswille hat Grenzen. „Wir werden nicht besonders viel tun, um die Gemeinsamkeit von Rot-Grün zu fördern“, sagt Merkel. Verhandelt werde „auf der Grundlage unserer Vorstellungen“.

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