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Politik: Zuwanderung: Alle rügen die Union

Wirtschaft, Gewerkschaften und Kirchen erwarten Ende der Blockadehaltung / Auch Süssmuth ist enttäuscht

Berlin. In der Debatte um das Zuwanderungsgesetz gerät die Union stark unter Druck. Vertreter von Wirtschaft, Gewerkschaften und Kirchen, aber auch die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) äußerten am Montag in Gesprächen mit dem Tagesspiegel Unverständnis über die kompromisslose Position der Union. CDU und CSU hatten das von Rot-Grün vorgeschlagene Punktesystem zur Steuerung der Zuwanderung von Qualifizierten strikt abgelehnt. Süssmuth, die ehemalige Vorsitzende der Regierungskommission, sagte: „Es bedarf dringend der Gestaltung der Zuwanderung, um unsere Zukunftschancen zu sichern.“

Meisner

Die Verhandlungen der zuständigen Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses waren am vergangenen Freitag ergebnislos auf Ende Februar vertagt worden. Am Wochenende hatte SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz betont, die Einwanderung nach dem Punktesystem sei „nicht mehr ganz so wichtig“. DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer widersprach dem vehement. „Der Witz besteht doch gerade darin, die Steuerbarkeit von Zuwanderung zu erhöhen“, sagte er. Mittel- und langfristige Steuerungsmöglichkeiten seien Garant für eine möglichst weltoffene Gesellschaft, deutsche Arbeitsplätze deshalb nicht gefährdet. „Ohne das Kernstück Punktesystem fällt es schwer, überhaupt noch von einem Zuwanderungsgesetz zu reden.“ Nach Darstellung Süssmuths steht die Begrenzung der Zuwanderung außer Frage. Gerade die jetzige Gesetzeslage aber führe zu einem hohen Zuzug von Unqualifizierten und gering Qualifizierten – was hohe Integrationskosten nach sich ziehe. Qualifizierte dagegen würden zu wenig ins Land geholt.

Der Ex-Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, betonte, die Diskussion um die Kompetenz des deutschen Forschungs- und Bildungssystems „sollte zeigen, dass wir schnell eine Regelung brauchen“. Wissenschaftler und Studenten würden Deutschland derzeit meiden, sagte er. Der Vorstand der Stiftung Marktwirtschaft, Lüder Gerken, sagte: „Deutschland benötigt dringend qualifizierte Zuwanderung, um im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können. Unser Arbeitsmarkt braucht dringend Zuwanderer, die sich in Deutschland erfolgreich integrieren, fehlende Qualifikationen einbringen und mittelfristig dadurch selbst Arbeitsplätze schaffen.“ Selbst das von Rot-Grün vorgesehene Auswahlverfahren ist Gerken „viel zu bürokratisch“. Schärfer fällt seine Kritik an der Union aus: Sie betreibe „platten Protektionismus zum Schaden Deutschlands“. Der Präsident des Deutschen Tourismusverbandes, Tilo Braune, sagte dem Tagesspiegel, Deutschland brauche dringend ein modernes Gesetz, das auch eine gesteuerte Zuwanderung in die Dienstleistungsberufe regeln müsse. Ausländische Mitbürger würden „zur Breite des gastronomischen Angebots und zur Servicefreundlichkeit“ unmittelbar beitragen. Der Leiter des katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten, sagte an die Adresse der Union: „Die Zeit des üblichen Fingerhakelns“ sollte eigentlich vorbei sein: „Jetzt muss konstruktiv gearbeitet werden.“

Matthias

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