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Qualifikation gefragt. In vielen Bereichen fehlen in Deutschland Fachkräfte, etwa im Gesundheitswesen. Der aus Syrien stammende Neurochirurg Samir Kazkaz (links) arbeitet jetzt im Krankenhaus im westfälischen Lünen.

© dpa

Zuwanderung: Union spricht sich gegen das Punktesystem aus

Vor dem Integrationsgipfel am Mittwoch im Kanzleramt: Der Streit in der schwarz-gelben Koalition über eine gesteuerte Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte verschärft sich.

Berlin - Die FDP widersprach am Sonntag CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer, die einem Punktesystem zur Steuerung des Zuzugs von Fachkräften eine Absage erteilt hatten.

Das bisherige System der Arbeitsmigration sei zu kompliziert und unverständlich, sagte der FDP-Innenexperte Hartfried Wolff dem Tagesspiegel. „Wir brauchen dringend ein am Bedarf des deutschen Arbeitsmarktes und der Integrationsfähigkeit ausgerichtetes einfaches, transparentes und unbürokratisches System zur Steuerung der Zuwanderung. Das Punktesystem ist mit klaren Kriterien flexibel am Bedarf ausgerichtet, einfach und entspricht dem Koalitionsvertrag.“

Zur Begründung verwies Wolff auf den Fachkräftemangel in Deutschland. Wer die Realität ignoriere, werde den Wettbewerb um die klügsten Köpfe verlieren, warnte der Vorsitzende des Arbeitskreises Innen und Recht der FDP- Bundestagsfraktion.

Hessens stellvertretender Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn (FDP) kündigte an, seine Partei werde in der Auseinandersetzung mit der Union um eine bessere Steuerung der Zuwanderung nicht lockerlassen: „Die FDP hält am Punktesystem fest. Wir müssen dafür sorgen, dass diejenigen nach Deutschland kommen, die wir brauchen und die uns guttun“, sagte der hessische Integrationsminister dem Tagesspiegel. Spätestens im Frühjahr 2011 müsse sich die Koalition in Berlin auf ein Punktesystem geeinigt haben, wenn Deutschland im internationalen Wettbewerb um ausländische Fachkräfte nicht ins Hintertreffen geraten wolle.

Vor allem die CSU schätze die Lage „völlig falsch“ ein, fügte Hahn mit Blick auf den Parteitag der Christsozialen hinzu. „Deutschland ist längst ein Einwanderungsland. Das ist die Realität, und die lässt sich auch nicht mit einem Beschluss auf irgendeinem CSU-Kongress ändern“, sagte der FDP-Politiker.

Die CSU hatte auf ihrem Münchener Delegiertentreffen am Wochenende auf Vorschlag Seehofers einen „Sieben- Punkte-Integrationsplan“ verabschiedet. Darin verlangt sie unter anderem die „Ausschöpfung des heimischen Arbeitsmarktes“, um den Fachkräftemangel zu beheben. Eine Zuwanderung nach Kontingenten oder Punktesystemen lehnt die CSU ab. Deutschland sei „kein klassisches Zuwanderungsland“.

Scharfe Kritik an der Haltung der CSU kam auch von den Grünen. Fraktionschef Jürgen Trittin warf Seehofer vor, „gegen Migranten zu hetzen“, weil er und seine Partei politisch angeschlagen seien. Die Behauptung der CSU, Deutschland sei kein Einwanderungsland, offenbare einen erschreckenden Realitätsverlust, sagte Trittin dem Tagesspiegel. Seehofer sei „ein wirtschaftspolitischer Versager“, weil er die Bedürfnisse des Industriestandorts Deutschland ignoriere. „Hochqualifizierte werden hier dringend benötigt“, sagte Trittin. Er reagierte damit auch auf die scharfen Angriffe Seehofers, der die Grünen auf dem CSU-Parteitag als „Versager der deutschen Politik“ bezeichnet hatte.

Kanzlerin Merkel hatte sich am Wochenende ebenfalls ablehnend zu einem Punktesystem geäußert, war in ihrer Wortwahl aber zurückhaltender geblieben als Seehofer. Ein solches System würde „auch nicht alle Probleme lösen“, sagte sie dem „Spiegel“. In ihrer wöchentlichen Videobotschaft kündigte Merkel an, mehr Menschen ausländischer Herkunft zur Polizei, Feuerwehr und in die Verwaltung zu holen. Im öffentlichen Dienst seien Menschen mit Migrationshintergrund unterrepräsentiert. Sie sehe das auch als Auftrag für den Integrationsgipfel. Am kommenden Mittwoch hat Merkel 115 Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Sport und von Migrantenverbänden eingeladen. Themen sollen Sprache, Bildung, Arbeitsmarkt und Integration am Ort sein. Die Runde will sich vornehmen, bis nächstes Jahr einen Aktionsplan zur Verbesserung der Integration von Ausländern zu erarbeiten.

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