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Politik: Zwangsarbeiter-Entschädigung: Bedürftige zuerst

Die erste Phase ist abgeschlossen. Der Bundestag hat am Mittwoch formell den Weg für die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter freigemacht.

Die erste Phase ist abgeschlossen. Der Bundestag hat am Mittwoch formell den Weg für die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter freigemacht. Jetzt geht es darum, dass die Opfer so schnell wie möglich ihr Geld bekommen. Keine leichte Aufgabe. Das machen allein die Zahlen deutlich, mit denen es die Bundesstiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" zu tun hat.

Bis heute haben sich weltweit 1,8 Millionen Menschen gemeldet. Davon haben eine Million Überlebende schon richtige Anträge auf Auszahlung gestellt. An die 300 000 wurden inzwischen bewilligt. Der große Rest sind zunächst nur einfache Anfragen oder Anmeldungen. Und doch ist die Stiftung um die Vorstandsmitglieder Michael Jansen und Hans-Otto Bräutigam auf den erwarteten Ansturm recht gut vorbereitet. Seit Monaten wird in der Kreuzberger Markgrafenstraße gesichtet, geprüft, koordiniert und organisiert. Bei unzähligen Veranstaltungen in den Heimatländern der Opfer bemühen sich die Stiftungs-Mitarbeiter, die Entschädigung publik zu machen, um auch wirklich alle Berechtigten zu erreichen.

Selbst wenn das gelingen sollte - es wird drei, vier Jahre dauern, bis alle Überlebenden oder ihre Erben das bekommen haben, was ihnen zusteht. Zunächst sollen die Bedürftigsten entschädigt werden und die, die wasserdicht ihren Anspruch nachweisen können, etwa durch Arbeitsbücher oder AOK-Bescheinigungen. In einem ersten Durchgang hat die Stiftung daher von den sieben Partnerorganisationen Listen mit jeweils 10 000 schon geprüften Anträgen erbeten. Vermutlich können also in diesem ersten Schritt 70 000 Menschen ihr Geld bekommen. Das wird voraussichtlich bis Mitte Juli dauern.

Bei den Tschechen, Polen und der Jewish Claims Conference geht es wohl noch schneller. Sie sollen schon bis Mitte Juni auszahlen können. Allein bis Ende Juni wird die Stiftung schätzungsweise 500 Millionen Mark freigeben. Dass 70 000 Opfer recht schnell etwas erhalten, das Gros der anderen aber noch lange warten muss, findet auch Hans-Otto Bräutigam "unbefriedigend". Die Prioritäten setzten aber die Partnerorganisationen. Und die müssten eben dann auch ihre Entscheidung in der Öffentlichkeit vertreten.

Überhaupt die sieben Partnerorganisationen. Gerade die Zusammenarbeit mit ihnen muss reibungslos klappen. Wie die Auszahlung und die Kontrolle im Detail funktionieren soll, ist in Verträgen genau festgelegt. Dafür sind schon einige Seiten nötig. Denn die Stiftung muss sichergehen, dass die zum Teil ja beträchtlichen Summen nicht irgendwo in dunklen Kanälen versickern.

Möglichst wenig Bürokratie, aber ausreichende Kontrollen, verspricht Michael Jansen. Und die sind in der Tat vielfältig. Die Stiftung hat mehrere Teams mit sprachkundigen Mitarbeitern eingesetzt, die stichprobenartig die Arbeit der Partnerorganisationen an Ort und Stelle überprüfen. Sind alle Nachweise vorhanden, stimmt die Eingruppierung in die Opferkategorie? Erst wenn es keine Beanstandungen gibt, wird die entsprechende Summe angewiesen. Wer schließlich sein Geld bekommt, muss den Empfang quittieren.

Bleibt die bange Frage, ob die gut acht Milliarden Mark ausreichen, um alle Anspruchsberechtigten zu entschädigen. Schon heute wird damit gerechnet, dass die Zahl der bewilligten Anträge höher sein könnte als erwartet. Viele Überlebende sind noch nicht aktiv geworden, weil sie bis heute nicht an eine Entschädigung geglaubt haben. Große Zweifel gibt es auch, ob die nichtjüdischen Opfer im "Rest der Welt" ausreichend bedacht sind. Reicht das Geld nicht, wird der Stiftung nichts übrig bleiben, als die vorgesehene zweite Rate zu kürzen.

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