zum Hauptinhalt

Politik: Zwangsarbeiter-Entschädigung: Die Wirtschaft bleibt hart

Die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter werden unter Umständen noch mehrere Jahre auf eine finanzielle Entschädigung warten müssen. Der Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, wollte am Donnerstag dem Tagesspiegel gegenüber nicht ausschließen, dass die Auszahlung der Entschädigungsgelder erst nach Abweisung aller 17 in den USA noch anhängigen Klagen gegen deutsche Unternehmen beginnen kann.

Die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter werden unter Umständen noch mehrere Jahre auf eine finanzielle Entschädigung warten müssen. Der Sprecher der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, Wolfgang Gibowski, wollte am Donnerstag dem Tagesspiegel gegenüber nicht ausschließen, dass die Auszahlung der Entschädigungsgelder erst nach Abweisung aller 17 in den USA noch anhängigen Klagen gegen deutsche Unternehmen beginnen kann. Der Unionspolitiker Wolfgang Bosbach bezeichnete die Äußerungen Gibowskis als "unverständlich". Bis über alle Klagen entschieden sei, würden "mit Sicherheit einige Jahre vergehen".

Lothar Evers vom Bundesverband der NS-Verfolgten sagte, dass das Projekt der Bundesregierung zur Entschädigung der Opfer nun "endgültig zur Geisterstiftung mutieren" werde. Täglich würden etwa 200 ehemalige Zwangsarbeiter sterben. Die Haltung der Wirtschaft ist Evers Ansicht nach kein Wunder: "Nach dem Treffen mit dem Bundeskanzler haben die Unternehmen Oberwasser." Die Opfer seien enttäuscht, dass Gerhard Schröder sich gegenüber den Firmen nicht stärker für ihre Interessen eingesetzt habe.

Nach dem Gespräch des Bundeskanzlers mit Vertretern der Stiftungsinitiative am Mittwoch hatten diese betont, dass nur die "relevanten" Verfahren, so genannte Präzedenzfälle, im Interesse der Unternehmen beendet sein müssten. Nun präzisierte Sprecher Gibowski: "Alle 17 Fälle könnten zu Präzedenzfällen werden." Die Wirtschaft werde die Verfahren beobachten und anhand von Verlauf und Urteil entscheiden, ob sie sich vor weiteren Klagen sicher fühle. Erst dann kann der Bundestag Rechtssicherheit erklären, und die Wirtschaft muss mit der Entschädigung der NS-Opfer beginnen.

Gibowski sagte, dass es den Unternehmen nicht nur auf die bloße Abweisung einzelner Klagen ankomme, sondern auch auf deren Begründung. Abweisungen "mit schwacher Urteilsbegründung" würden wenig an der momentan nicht gegebenen Rechtssicherheit ändern. Welche Begründungstexte sich die Unternehmen wünschen, wollte Gibowski nicht sagen. Beobachter gehen davon aus, dass allein Klagen, die aufgrund des "statement-of-interest" abgewiesen werden, das Sicherheitsempfinden der Firmenjuristen steigern können. In dieser Erklärung hatte die US-Regierung festgestellt, dass eine Ablehnung von Klagen gegen deutsche Firmen im nationalen Interesse läge.

Der Unionsexperte für die Zwangsarbeiter-Entschädigung Bosbach erinnerte daran, dass die Wirtschaft in der Vergangenheit wiederholt erkennen ließ, dass sie die einzelnen Verfahren als unterschiedlich brisant, und nur wenige Fälle, wie den des Zwangsarbeiters Deutsch gegen eine HochTief-Tochter als Präzedenzfälle betrachte. Eine Änderung dieser Auffassung sei rechtlich aber ohne weiteres möglich.

Die Vertreter ausländischer Opferverbände zeigten sich bestürzt über die Haltung der deutschen Stiftungsinitiative. Karl Gawlowski von der Vereinigung der durch das Dritte Reich geschädigten Polen sagte zum Tagesspiegel, dass eine Verzögerung dieses Ausmaßes nicht hinnehmbar sei: "Dann müssten die meisten der noch lebenden Opfer ihre Hoffnung auf eine Entschädigung endgültig begraben."

Rico Czerwinski

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false