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Politik: Zwangsarbeiter-Entschädigung: Klaus von Münchhausen: "Es geht nicht um die Opfer, es geht um Profit" (Interview)

Klaus von Münchhausen kämpft seit 15 Jahren um Entschädigungen für Zwangsarbeiter und hat vor Gerichten Zahlungen von Siemens, Volkswagen und Porsche erstritten. Der Vertreter von 4000 Zwangsarbeitern aus Europa über die Einigung mit den USA und die Rolle der Anwälte.

Klaus von Münchhausen kämpft seit 15 Jahren um Entschädigungen für Zwangsarbeiter und hat vor Gerichten Zahlungen von Siemens, Volkswagen und Porsche erstritten. Der Vertreter von 4000 Zwangsarbeitern aus Europa über die Einigung mit den USA und die Rolle der Anwälte.

Haben deutsche Firmen jetzt Rechtssicherheit in den USA?

Nicht mehr als vorher. Rechtssicherheit kann nur eine völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung geben. Eine Erklärung eines US-Präsidenten kann vom nächsten Präsidenten revidiert werden. Und es haben ja schon Anwälte neue Klagen angekündigt.

Wie kam es dazu, dass die US-Anwälte heute so viel Einfluss haben?

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat schon 1998 eine Arbeitsgruppe für die Entschädigung von Zwangsarbeitern unter Ex-Justizminister Hans Jochen Vogel eingesetzt. Es gab Verhandlungen mit Großfirmen - Bosch, Siemens, Daimler, VW -, die versprochen haben, in eine Stiftung einzuzahlen. Das wurde von Kanzleramtsminister Bodo Hombach konterkariert, der sich statt dessen mit den US-Anwälten an einen Tisch gesetzt hat. Auch Ignatz Bubis, damals Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland und Vizepräsident der Jewish Claims Conference (JCC), hat das torpediert - er hat 1998 US-Anwälte ermuntert, Druck zu machen, als er bereits von Schröders Vorhaben wusste.

Welche Interessen könnte es daran geben, die US-Anwälte einzuschalten?

Es ging darum, das Geld in Richtung Amerika zu ziehen, zu den dortigen jüdischen Organisationen. Lange Zeit wollten die US-Anwälte ja den gesamten Zehn-Milliarden-Topf verwalten. Es geht nicht um die Opfer, es geht um Profit. Die US-Anwälte haben auch Firmen verklagt, die bereits an Zwangsarbeiter gezahlt haben oder in den Fonds gezahlt haben, wie Siemens oder VW.

Welche Organisationen meinen Sie denn?

Den World Jewish Congress und die JCC, Organisationen mit Hauptsitz in den USA. Europäische Juden, etwa in Thessaloniki, sagen, sie hätten von der JCC nie Hilfe bekommen. Ungarische Juden sprechen sogar davon, dass die amerikanische jüdische Elite das europäische Judentum zweimal verraten habe, während des Kriegs und heute.

Während des Zweiten Weltkriegs?

Das amerikanische Judentum war vor 1945 bestens infomiert über den Holocaust. In der New York Times gab es 1943 und 1944 große Anzeigen, wo gegen die Ermordung der Juden protestiert wurde und wo Zahlen genannt wurden, aber die Redaktion hat kaum darüber berichtet. Die jüdische Elite hat sich so gut wie nicht bemüht, Einfluss auf die Regierung zu nehmen, nicht einmal, um die Quoten für jüdische Flüchtlinge zu erhöhen. Die Schweiz hat mehr jüdische Flüchtlinge gerettet als die USA.

Auch Zwangsarbeiter in den europäischen Ländern, die nicht in die Verhandlungen einbezogen wurden, sind unzufrieden

Ja. Graf Lambsdorff und Eizenstat haben der JCC aus dem Zehn-Milliarden Topf noch einmal 260 Millionen zusätzlich gegeben, von dem Anteil, der Ländern wie Norwegen, Griechenland oder Ungarn zusteht.

Es heißt, die JCC werde die 260 Millionen an Juden in diesen Ländern weiterleiten.

Die Organisationen dort können das selbst. Die kennen die Leute, die könnten das Geld morgen auszahlen. Die brauchen die JCC nicht. Die JCC hat nach dem deutsch-israelischen Staatsvertrag von 1953 nur das Recht, Gelder in Deutschland, den USA und Israel zu verteilen. Jetzt will die JCC weit über Europa hinaus das Judentum gegenüber Deutschland vertreten. Im übrigen wollen die Opfervertreter insbesondere in Holland und Dänemark nicht, dass sie in Juden und Nicht-Juden auseinanderdividiert werden.

Die US-Anwälte haben bisher alle Prozesse verloren. Warum haben deutsche Firmen soviel Angst wegen der Rechtssicherheit?

Tatsächlich gab es einen Prozess gegen die Degussa und Siemens, der im November letzten Jahres in den USA höchstrichterlich abgewiesen wurde. Das Gesetz zur Regelung der deutschen Auslandsschulden von 1953, das auch von den USA unterschrieben wurde, sagt, dass Reparationsfragen nur von deutschen Gerichten geklärt werden dürfen. Aber die Anwälte haben großen Einfluss auf US-Verhandler Eizenstat.

Anwälte könnten aber US-Firmen verklagen, deren deutsche Töchter Zwangsarbeiter hatten, aber das geschieht kaum.

Ja, das betrifft etwa General Motors und Ford. Es gibt auch in Holland Betriebe, die Zwangsarbeiter beschäftigt haben und die von US-Konzernen aufgekauft wurden, die man ebenfalls belangen könnte. Das zeigt, dass es in Wirklichkeit um einen Wirtschaftskrieg zwischen Deutschland und den USA geht. Die deutsche Wirtschaft soll in den USA schlechtgemacht werden, um deren Exportchancen zu verringern.

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