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Politik: Zwei Drittel blieben zu Hause

Nichtwähler dominierten die Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt – und die NPD zieht in sieben Kreistage ein

Von Matthias Schlegel

Berlin - Es gibt im politischen Regelwerk ein ungeschriebenes Gesetz: Nach Wahlen sollten Politiker Wählerschelte tunlichst vermeiden, fällt sie doch auf den Absender selbst zurück. Aber das gilt nicht für die Nichtwähler – und die waren bei der Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt am Sonntag die erdrückende Mehrheit: Fast zwei Drittel der Wahlberechtigten – genau 63,5 Prozent – suchten ihr Wahllokal gar nicht erst auf. Die Wahlbeteiligung von 36,5 Prozent bedeutet einen historischen Tiefstand bei Kommunalwahlen in Deutschland. Schon 2004 hatte Sachsen-Anhalt einen Negativrekord aufgestellt. Damals waren aber noch 42,1 Prozent zur Wahl gegangen.

So konnte der Magdeburger Regierungschef Wolfgang Böhmer (CDU) am Montag seine Verärgerung darüber kaum verbergen. Wenn es darum gehe, „zu meckern und zu kritisieren, dann sind viele dabei. Wenn es aber darum geht, Verantwortung zu übernehmen, dann sind offensichtlich viele nur schwer zu begeistern“, sagte Böhmer in Magdeburg. Als eine „mittlere Katastrophe“ bezeichnete SPD- Landeschef und Innenminister Holger Hövelmann die Wahlbeteiligung. Und der als Landrat im Bördekreis wiedergewählte CDU-Landesvorsitzende Thomas Webel kleidet die verbreitete Ratlosigkeit in die Worte, es gebe „kein Patentrezept“ gegen Wahlmüdigkeit.

Eine von Vertretern aller demokratischen Parteien befürchtete Auswirkung niedriger Wahlbeteiligung blieb nicht aus: In den Parlamenten von sieben der neun neu zugeschnittenen, größeren Landkreise, in denen am Sonntag gewählt wurde, werden künftig Abgeordnete der rechtsextremen NPD sitzen: drei im Burgenland, je zwei in Anhalt-Bitterfeld, Harz, Südharz und Salzland, je einer in Jerichower Land und Saalekreis. Die NPD kam nach 0,7 Prozent im Jahr 2004 nun auf 2,5 Prozent der Stimmen.

Trotz leichter Einbußen konnte die CDU mit 33,6 Prozent der Stimmen (2004: 35,7) ihre Führungsposition im Vergleich zu 2004 behaupten. Weil die PDS/Linkspartei um 3,3 Prozentpunkte auf 19,2 Prozent abrutschte, konnte die SPD bei nahezu gleich gebliebenem Stimmenanteil von 20,2 Prozent den zweiten Platz im Parteienspektrum erreichen. Die FDP kam auf 8,4 Prozent (2004: 8,1). Die Grünen erreichten 3,8 Prozent. Mit insgesamt 10 Prozent sind diverse Wählergruppen in den Kommunalparlamenten relativ stark vertreten.

Die Kommunalwahl war nötig geworden, weil mit der zum 1. Juli in Kraft tretenden Kreisgebietsreform die Anzahl der Landkreise in Sachsen-Anhalt von 21 auf elf sinkt. Nur zwei Landkreise und die zwei kreisfreien Städte Magdeburg und Halle bleiben in ihrem Zuschnitt erhalten, weshalb am Sonntag dort auch nicht gewählt wurde. Auch weil sie über die Gebietsreform verärgert sind, könnten viele Menschen der Wahl ferngeblieben sein. Denn die Bürger interessierten sich „sehr wohl für politische Zusammenhänge“, sagt Kerstin Plehwe, Vorsitzende der Berliner Initiative Pro Dialog, die Kommunikation zwischen Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft fördern will. Sie hätten nur „zunehmend das Gefühl, dass ihre Meinung für die politisch Verantwortlichen keine Bedeutung hat“. Zugleich fühlten sie sich nicht genügend über Entscheidungs- und Reformprozesse informiert. Es handle sich bei Wahlenthaltung also nicht um Politikverdrossenheit, sondern um Politikerverdrossenheit. (mit dpa)

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