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Vor allem schwer kranke Menschen wünschen sich oft, ihrem Leben selbstbestimmt ein Ende setzen zu können.

© dpa/Kay Nietfeld

Zwei Jahre nach Signal-Urteil in Karlsruhe: Bundestag debattiert drei Vorschläge zur Zukunft der Sterbehilfe

Seitdem das Verbot der Sterbehilfe gekippt worden ist, ist sie in Deutschland ein rechtsfreier Raum. Das soll sich nun durch ein neues Gesetz wieder ändern.

Wenige Debatten werden so emotional geführt, wie diese: Darf jemand, der vorzeitig aus dem Leben scheiden möchte, bei diesem Vorhaben unterstützt werden?

Ja, stellte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vor zwei Jahren in einem wegweisenden Urteil klar. Es hatte das Sterbehilfeverbot gekippt und den Passus des § 217 Strafgesetzbuch für nichtig geklärt, laut dem die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ unter Strafe gestellt worden war.

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Die Verfassungsrichter begründeten dies damit, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasse. Dieses beinhalte auch, hierbei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen.

Eine Neuregelung war damals nicht verabschiedet worden, noch immer diskutiert der Bundestag über die Zukunft der Sterbehilfe. Nachdem die Abgeordneten in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr zu einem Ergebnis gekommen waren, befasste sich das Parlament am Mittwoch erneut mit der Frage,  ob es Leitplanken für die allgemeine Sterbehilfe braucht.

Die damalige Regelung war erst im Jahr 2015 beschlossen worden, seither ist die Sterbehilfe wieder straffrei und ohne jede staatliche Regelung möglich.

Vor allem Menschen, die Angst haben, vor dem Tod unerträglich zu leiden, die Selbstbestimmung zu verlieren oder einer sogenannten Gerätemedizin ausgeliefert zu sein, sehen in der Sterbehilfe die Chance, ihrem Leben aus eigenem Willen ein Ende zu setzen.

Zur Debatte stehen drei neue Entwürfe

Zur Debatte stehen drei neue Entwürfe: Ein von über 80 Abgeordneten mitgetragener Gesetzentwurf spricht sich dafür aus, dass die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ grundsätzlich strafbar sein soll, orientiert sich also an dem gerade erst gestrichenen Passus.

„Der effektive Schutz des Lebens gebietet es grundsätzlich, die Suizidassistenz unter Strafe zu stellen, um Geschäftemacherei einen Riegel vorzuschieben“, sagte der CDU-Abgeordnete Ansgar Haveling zum Entwurf. In Ländern, in denen es keine Schranken gebe, seien die Suizidzahlen viel höher.

Die Regelung sieht jedoch Ausnahmen vor. Nicht rechtswidrig soll die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe dann sein, wenn der suizidwillige Mensch „volljährig und einsichtsfähig“ ist, sich mindestens zweimal von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hat untersuchen lassen und mindestens ein ergebnisoffenes Beratungsgespräch absolviert hat.

Zwischen den Terminen sollen mindestens drei Monate liegen, die abschließende Untersuchung und die Selbsttötung wiederum soll durch eine „Wartefrist“ von zwei Wochen unterbrochen sein.

„Niemand in diesem Land soll sich überflüssig fühlen“

Der Entwurf strebt außerdem einen neuen Paragraf 217a gegen die „Werbung für die Hilfe zur Selbsttötung“ an. Im Raum steht außerdem ein Suizidhilfegesetz, mit der das Recht auf einen selbstbestimmten Tod legislativ abgesichert werden soll.

Der Antrag sieht eine Regelung außerhalb des Strafrechtes vor. Geplant ist stattdessen der Aufbau eines Netzes von staatlich anerkannten Beratungsstellen, die Sterbewillige ergebnisoffen aufklären.

„So richtig es ist, den assistierten Suizid zu unterstützen, so wichtig ist es, diesen nicht als normal zu begreifen. Niemand in diesem Land soll sich überflüssig fühlen“, führte der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Castellucci aus. „Ja, wir müssen den Sterbewillen anerkennen, aber das gleiche gilt auch für die Unterstützung des Lebenswillens solange und mit allem, was uns möglich ist.“

Oft würden Suizidwünsche nicht durch einen Sterbewillen ausgelöst, sondern durch den Wunsch, nicht mehr unter den in deisem Moment gegebenen Umständen zu leben.

„Primär sollten wir Möglichkeiten und Hilfen im Leben aufzeigen.“

Alle drei Entwürfe ermöglichen die Abgabe tödlicher Mittel

Ärztinnen und Ärzten soll es frühestens zehn Tage nach einer Beratung erlaubt sein, Medikamente zur Selbsttötung zu verschreiben, wenn sie „von der Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit des Sterbewunsches“ ausgehen. 

„Wir sollten Menschen, die nicht mehr leben wollen, mit Respekt begegnen, statt ihnen mit Strafen zu drohen und uns moralisch zu erheben“, sagte Kathrin Henning-Plahr, die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag. Es gebiete die Menschlichkeit, Menschen mit ihrem Wunsch zu sterben nicht allein zu lassen. Ärzte sollten entscheiden, nicht Behörden.

Behandlung auf einer Palliativstation.
Behandlung auf einer Palliativstation.

© imago/epd

Eine liberalere Regelung strebt eine Gruppe um die Grünen-Politikerinnen Renate Künast und Katja Keul an. Diese verfolgt den Ansatz, dass Ärzte ein Medikament für den Suizid verschreiben können, wenn sich Sterbewillige in einer medizinischen Notlage befinden, die mit schweren Leiden, insbesondere starken Schmerzen, einher geht.

„Auf alle Fälle dürfen wir es uns nicht zu schwer - durchs Strafgesetzbuch - und es uns nicht zu einfach machen. Und natürlich haben wir nicht das Recht materielle Kriterien aufzustellen. Wir müssen den Weg zumutbar eröffnen. Dieser Weg muss heißen Schutz- und Transparenzvorschriften, Zuverlässigkeit der Beratungsstellen und -vereine und angemessene Fristen zwischen zwei Beratungen, sowie Aufklärung über Wirkungsweisen,“, sagt Künast zu dem Entwurf ihrer Gruppe.

Alle drei Vorschläge eint, dass sie eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes vorsehen, um die Abgabe tödlich wirkender Mittel für einen Suizid zu ermöglichen.

Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Patientenschutz, ist enttäuscht und kritisiert alle drei Gesetzentwürfe als verfehlt.

„Mit keinem der Vorschläge wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts praxistauglich umgesetzt“, meint Byrsch. Suizidmittel und Angebote der Unterstützung seine vorhanden.

„Wenn das Parlament etwas regeln will, dann muss es das Handeln des Sterbehelfers strafrechtlich in den Fokus rücken.“

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