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Papst Franziskus wäscht einem Strafgefangenen die Füße.

© dpa

Zwei Jahre Papst Franziskus: Ein Glücksfall mit Hang zu drastischer Formulierung

Kein fleißiger Strippenzieher, sondern ein selbstbewusster Visionär: Vor zwei Jahren trat Papst Franziskus sein Amt an, seitdem stiftet er Unruhe – zum Glück. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Wer Menschen fragt, warum sie sich vom Glauben und der Kirche abwenden, hört Begriffe wie „steril“, „altmodisch“, „kalt“, „moralisierend“, „dogmatisch“, „predigen Wasser, trinken Wein“. Wer nun in der Bibel liest, wird erstaunt feststellen, dass genau diese Vorwürfe auch Jesus Christus gegen seine Zeitgenossen erhob. Das aber führt zu dem Paradox, dass die ursprüngliche Faszination des Christentums, seine fundamentalistische Frommheit, offenbar in eben jene Aberration münden kann, die seine Entstehung erst begünstigt hat. Man kann dies, ohne doppeldeutigen Hintersinn, einen Teufelskreis nennen.

Vor zwei Jahren wurde Papst Franziskus zum Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche gewählt. In dieser kurzen Zeit hat er bereits ein kleines Wunder bewirkt: Indem er die kräftigsten Negativklischees über den real existierenden Katholizismus aufnahm und nun seinerseits gegen dessen Vertreter wendete – Klerikalismus, Pomp, Klüngelei, Rigidität –, hat er begonnen, sowohl kirchliche Strukturen zu erneuern als auch das öffentliche Bild von der Kirche. Mit Franziskus verbinden sich Begriffe wie „offen“, „bescheiden“, „zugewandt“, „fürsorglich“. Er wirkt durchdrungen von der Spiritualität seines Glaubens. Wie in der Bibel sich Poesie und Prosa nicht scharf trennen lassen, schafft dieser Papst eine Einheit aus Wort und Tat, Verkündigung und tätiger Seelsorge.

Seinen Widersachern spielt in die Hände, dass er bisweilen drastisch formuliert

Das wiederum verleiht ihm nach innen jene Autorität, die nötig ist, um Kurie und Kardinalskollegium umzubauen. Da ist kein fleißiger Strippenzieher am Werk, sondern ein selbstbewusster Visionär. Kein Wunder, dass er Unruhe stiftet. Seinen Widersachern spielt in die Hände, dass er bisweilen drastisch formuliert: Wer die eigene Mutter beleidigt, dem rutscht schon mal die Hand aus; sich wie die Karnickel vermehren geht gar nicht; ein Klaps auf den Hintern muss einem Kind nicht schaden.

Franziskus will die Sprache des Volkes sprechen, Geschwätzigkeit und Intellektualisierungen sind ihm zuwider. Das lässt ihn in Fettnäpfe treten, die viele seiner Vorgänger umgehen konnten. Ihm ist wichtiger, bei den Armen, Kranken und Flüchtlingen zu sein, als in einem theologischen Seminar das Wesen der Trinität zu erörtern oder der Frage nachzugehen, ob Gott auch lügen kann. Von Benedikt XVI. bleibt die Regensburger Vorlesung im Gedächtnis, in der er eine Aussage zur Rolle der Gewalt im Islam zitierte – und zigtausende Muslime verärgerte. Papst Franziskus besuchte auf seiner ersten Fernreise die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa und prangerte die Gleichgültigkeit gegenüber dem Elend der Flüchtlinge aus Afrika an. Was für ein Kontrast!

Mit der katholischen Sexualmoral – einschließlich Frauenpriestertum, Homosexualität, Ehe, Scheidung, Abtreibung – wird auch dieser Papst nicht radikal brechen. Aber der Verkürzung der öffentlichen Wahrnehmung auf allein diese Elemente der christlichen Botschaft wird er sich weiter widersetzen. Einige Protestanten neigen dazu, sich bei Franziskus an Martin Luther erinnert zu fühlen. Weil sie aber wissen, dass sie mit einer solchen Analogie dem Papst unter Seinesgleichen schaden können, behalten sie das lieber für sich.

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