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Politik: Zwei Modelle, ein Ergebnis

Die Union will Familien bei der Pflege belohnen, die SPD Kinderlose belasten. Bezahlen müssen Letztere

Von Robert Birnbaum

Berlin - Eigentlich sind Klausuren ja Gelegenheiten zur Besinnung, aber dazu kommt der Vorstand der Unions-Fraktion in diesem Jahr wohl nicht. Die Regierung hat der größten Oppositionsfraktion ein paar Fragen gestellt, und CDU und CSU müssen sie bis Donnerstag beantworten.

Die kniffligste – „Wie halten wir es mit dem Zahnersatz?“ – war vor Beginn der Sitzung noch offen, auch weil Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ihren angekündigten – in groben Zügen seit Tagen bekannten – Vorschlag noch nicht übermittelt hatte.

Dafür konnte Fraktionsgeschäftsführer Volker Kauder in Sachen Pflegeversicherung im Grundsatz Auskunft geben. Schmidt hatte hier vorgeschlagen, die vom Verfassungsgericht geforderte Berücksichtigung von Kindern beim Pflegebeitrag dadurch zu erreichen, dass alle Kinderlosen zwischen 23 und 65 Jahren einen Aufschlag von 0,25 Prozent des Bruttoeinkommens auf ihre Pflegebeiträge zahlen müssen. Falsch, sagt Kauder: Nicht Kinderlose dürften bestraft, sondern Menschen, die Kinder großzögen, müssten dafür belohnt werden. Die Unionslösung sieht vor, den Beitrag für alle Versicherten um 0,11 Prozentpunkte anzuheben – aber allen Eltern mit Kindern unter 18 Jahren dann pro Kind fünf Euro pauschal zu erlassen.

Auf den ersten Blick sehen beide Modelle grundlegend unterschiedlich aus. Bei näherer Betrachtung sind sie sehr ähnlich. Beide Vorschläge geben die Parität auf, weil nur der Arbeitnehmeranteil an den Kosten der Pflegeversicherung steigt, während sich für Arbeitgeber nichts ändert. Beide erhöhen faktisch den Beitrag für Kinderlose und senken ihn für Eltern.

Der Unterschied liegt im Detail. Beim Unions-Modell werden Familien – zumal mit mehreren Kinder – deutlich stärker entlastet. Wer mit 1000 Euro Bruttoeinkommen ein Kind erzieht, zahlt nach dem SPD-Modell ab Januar 8,50 Euro Pflegebeitrag, bei der Union nur 4,50 Euro, ab zwei Kindern sogar gar nichts mehr. Selbst an der Beitragsbemessungsgrenze von rund 3400 Euro stünden sich Eltern bei CDU und CSU besser. Mehrlasten hingegen kämen im Unions-Vorschlag nicht nur auf Kinderlose zu, sondern auch auf Rentner und auf alle Eltern, deren Kinder aus dem Haus sind. Ganz einig war sich die Unionsspitze überdies nicht: Im Gespräch war alternativ ein Zehn-Euro-Bonus pro Kind, begrenzt auf die ersten zwölf Lebensjahre. Auch der Ruf nach Steuerfinanzierung dieses Zuschusses stand weiter im Raum.

Bleibt noch eine dritte Frage, die die Regierungskoalition der Opposition gestellt hatte: Wie haltet ihrs mit Volksbefragung und Volksabstimmung? In den vergangenen Tagen hat die CDU bis hin zur Partei- und Fraktionsvorsitzenden Angela Merkel nahezu unisono geantwortet: nichts. Am Mittwoch aber pünktlich zur Klausur ging CSU-Landesgruppenchef Michael Glos auf Gegenkurs. Ein Referendum über die EU-Verfassung könne er sich vorstellen: „Ich halte das deutsche Volk für mündig genug, über die Vor- und Nachteile der neuen Verfassung selbst zu entscheiden.“ Der CSU-Statthalter in Berlin will das als „Testlauf“ verstanden wissen. Danach könne man mit größerer Erfahrung debattieren, ob Volksentscheide generell ins Grundgesetz aufgenommen werden sollten.

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