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Politik: Zwei Welten

SPD-Chef Müntefering stellt ein Buch der Präsidentschaftskandidatin Schwan vor

Von Robert Birnbaum

Berlin - Franz Müntefering kommt in Zivil. Das fällt deshalb auf, weil er als SPD- Vorsitzender so gut wie nie ohne seinen roten Schal zu sehen ist. Diesmal reichen brauner Anzug und Krawatte. „Heute Abend hat sie allein das Vorrecht, den roten Schal zu tragen“, flachst er. „Sie“ ist Gesine Schwan, der Schal fällt über das schwarze Kostüm mit Goldknöpfen. Schwarz-rot-golden ist mit etwas Fantasie auch der Rahmen, in dem Schwan am Donnerstagabend ihr neues Buch „Woraus wir leben“ vorstellt: Schwarz der Bühnenhintergrund in der Berliner Urania, rot der Vorhang, gelbbraun die Holzumrandung. Alles wie gemacht für eine Bundespräsidentenkandidatin. Wenn da bloß der zivile Franz nicht wäre.

Tatsächlich handelt es sich ja weniger um eine Buchpremiere als um eine Demonstration. Schwan hat sich unlängst intern über mangelnde Unterstützung durch die SPD-Spitze beklagt. Dass sie sich im Gespräch mit einem „Zeit“-Journalisten zu direkter Kritik an Amtsinhaber Horst Köhler vergaloppierte – der nehme eine „Erosion der Demokratie“ in Kauf –, lud den Abend zusätzlich auf. Dies Thema ist dann schnell erledigt: Als die Moderatorin des Zwiegesprächs darauf zu sprechen kommt, wischt Schwan mit einem knappen „Also, ich hab nichts vorgeworfen ...“ darüber hinweg. Müntefering wird nicht befragt. In anderem Zusammenhang wird er später anmerken: „Ich finde, dass der Bundespräsident Köhler seine Sache gut macht.“

Was ansonsten die Unterstützung angeht, kann sich die Kandidatin formal nicht beschweren. Dreimal sagt Münte fering Sätze der Preislage: „Eine Frau als Bundespräsidentin, das ist normal, und deshalb wird es auch so kommen.“ Andererseits – Begeisterung versprüht der Laudator nicht; wenn ihn die Moderatorin fragt, ob er dies und jenes genauso sehe, wie es Frau Schwan gerade ausführlich ausgeführt hat, begnügt Müntefering sich gerne mal mit „Ja“. Ohnehin treffen auf der Bühne zwei Welten aufeinander. In Schwans Welt etwa ist Deutschland eine komplizierte Sache, und Fußballfans, die „So sehen Sieger aus“ grölen, meinen das irgendwie „ironisch“. Für Müntefering war Deutschland bis 1965 „Scham und Verdrängung“, dann zwei Staaten, erst nach der Einheit „Nation“. Und jetzt – sei er halt Deutscher. Der Franz, denkt man bei solchen Sätzen, gäbe keinen üblen Erklär-Präsidenten ab.

Am Schluss danken alle einander. Aber Müntefering will noch etwas loswerden, als Bilanz des Abends. Er zitiert den letzten Satz des Buches: „Zukunft haben wir nur gemeinsam.“ Schwan lacht hell auf und fällt ihm beinahe um den Hals. Sie hat den Satz ersichtlich so verstanden, dass die SPD Gesine Schwan braucht. Wie man den Franz kennt, war es andersrum gemeint. Also irgendwie ironisch.

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