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Politik: Zweieinhalb Stunden für eine Gewissensfrage

Berlin - Monatelang haben Befürworter und Gegner Argumente ausgetauscht, am heutigen Donnerstag will sich nun der Bundestag in erster Lesung mit der Präimplantationsdiagnostik (PID) beschäftigen. Zweieinhalb Stunden wollen sich die Abgeordneten Zeit nehmen.

Berlin - Monatelang haben Befürworter und Gegner Argumente ausgetauscht, am heutigen Donnerstag will sich nun der Bundestag in erster Lesung mit der Präimplantationsdiagnostik (PID) beschäftigen. Zweieinhalb Stunden wollen sich die Abgeordneten Zeit nehmen. Der Fraktionszwang ist aufgehoben, denn die Frage, ob die PID zugelassen werden soll, berührt ethisch sensible Grundsätze. Bis zu einer Gerichtsentscheidung im Juli 2010 war die Diagnosemethode in Deutschland verboten. Mit Hilfe der PID können im Reagenzglas erzeugte Embryonen auf Erbkrankheiten untersucht werden. Die Argumente liegen quer zu den politischen Parteien und werden auch in den Kirchen unterschiedlich debattiert.

Die frühere Bischöfin Margot Käßmann äußerte auf Anfrage des Tagesspiegels „großes Verständnis dafür, dass ein Paar, das sich ein Kind wünscht und weiß, dass es einen schweren genetischen Defekt in sich trägt, in ganz eng zu ziehenden Grenzen alles tut, um ihrem Kind diese Krankheit zu ersparen“. Es sei schwer zu begreifen, dass Abtreibung bis kurz vor der Geburt möglich ist, wenn eine schwere Schädigung des Kindes erkennbar wird, aber die PID nicht erlaubt sein soll. „Für mich ist die Frage der Zulassung der PID auch eine Frage der Barmherzigkeit, die diesen Paaren begegnet“, sagte Käßmann. Die PID würde auch nur eine sehr kleine Gruppe von Paaren mit schweren genetischen Defekten betreffen. Nach Auskunft von Medizinern sei das auf ganz wenige Personen einzugrenzen, argumentiert Käßmann. Sie könne aber auch diejenigen verstehen, die Angst vor Selektion hätten, die fürchteten, dass in der Folge Leben mit Behinderung nicht mehr als lebenswert gilt. „Aber auch wenn Eltern sich ein gesundes Kind wünschen, heißt das doch nicht, dass Menschen mit Behinderung kein lebenswertes Leben führen können.“

Auch Nikolaus Schneider, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hatte um Verständnis für Eltern geworben, die PID nutzen wollen. Der Rat der EKD entschied aber mehrheitlich gegen die Diagnosemethode. Die katholische Kirche lehnt alle reproduktionsmedizinischen Eingriffe ab. Eine Mehrheit im Deutschen Ethikrat plädierte für eine eng begrenzte Freigabe der Diagnosemethode.

Es stehen drei Gesetzentwürfe zur Debatte: Die Abgeordneten Johannes Singhammer (CSU), Ulla Schmidt (SPD) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) werben für ein Verbot der PID. Peter Hintze (CDU) und Ulrike Flach (FDP) setzen sich für die Zulassung ein bei Paaren, die „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ eine schwere Krankheit vererben können oder die Schädigung des Embryos „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen würde. Der dritte Entwurf von René Röspel (SPD), Norbert Lammert (CDU) und Priska Hinz (Grüne) will die Diagnostik nur für Eltern zulassen, bei denen eine genetische Disposition „mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Schädigung des Embryos, Fötus oder Kindes zur Folge hat, die zur Tot- oder Fehlgeburt oder zum Tod im ersten Lebensjahr führen kann“.

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