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Alexis Tsipras und seine radikale Linke könnten von Neuwahlen profitieren. Foto: Reuters

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Zwischen Neuwahlen und Staatsbankrott: Richtungsentscheidung in Griechenland am Montag

Misslingt die Präsidentenwahl auch im dritten Anlauf, gibt es Neuwahlen – und der Staatsbankrott droht. Deutsche Ökonomen befürchten aber keine neue Euro-Krise.

Vor der dritten und entscheidenden Abstimmungsrunde bei der griechischen Präsidentenwahl hat Ministerpräsident Antonis Samaras die Abgeordneten zur Einigkeit aufgerufen und vor politischen Turbulenzen gewarnt. Die 300 Parlamentarier stimmen am Montagmittag über ein neues Staatsoberhaupt ab. Der einzige Kandidat, der von den Regierungsparteien nominierte Stavros Dimas (73), hatte in den beiden ersten Wahlgängen die erforderliche Zweidrittelmehrheit verfehlt. Im dritten Durchgang benötigt er 180 Stimmen – zwölf mehr, als er in der vorangegangenen Abstimmungsrunde bekam.

Der linke Oppositionsführer Alexis Tsipras will die Präsidentenwahl verhindern. Denn scheitert Dimas, muss das Parlament aufgelöst werden. Dann steht Griechenland vor Neuwahlen, die Tsipras zu gewinnen hofft. Er will den Sparkurs und das Reformprogramm beenden, die Kreditverträge mit Griechenlands Gläubigern annullieren und den größten Teil der Staatsschulden streichen.

Die Regierung hofft, in der entscheidenden dritten Runde weitere Stimmen aus dem Lager der Unabhängigen und kleinerer Oppositionsparteien für ihren Kandidaten Dimas gewinnen zu können. Auf die 16 Abgeordneten der Neonazi-Partei Goldene Morgenröte will sich Dimas aber nicht stützen. Er werde die Wahl nicht annehmen, wenn die Stimmen der Rechtsextremisten bei der offenen Wahl den Ausschlag geben sollten, erklärte er.

Kommt es wegen einer gescheiterten Präsidentenkür zu Neuwahlen, gilt die radikale Linke (Syriza) als Favorit. Die Partei führt seit Monaten in allen Umfragen vor der konservativen Nea Dimokratia (ND) von Ministerpräsident Samaras. Seit einigen Wochen schrumpft der Vorsprung aber. Dieser Trend setzte sich in zwei am Sonntag veröffentlichten Umfragen fort. Das Institut Alco sieht Syriza 3,3 Prozentpunkte vor der ND, die Meinungsforscher von Kapa Research beziffern den Vorsprung auf 2,5 Prozent.

In einem Interview mit dem staatlichen Fernsehen appellierte Premier Samaras am Wochenende, für Dimas zu stimmen, um vorgezogene Parlamentswahlen und die damit verbundenen Turbulenzen zu verhindern. „Das Volk will keine Neuwahlen“, sagte Samaras. Tatsächlich sprachen sich in einer am Sonntag veröffentlichten Meinungsumfrage über 58 Prozent gegen Neuwahlen aus.

Griechenland befindet sich derzeit in der Schlussphase schwieriger Verhandlungen mit der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds. Können die Gespräche nicht bis Ende Februar abgeschlossen werden, drohen bereitstehende Hilfskredite von rund 18 Milliarden Euro zu verfallen. Griechenland könnte dann bereits im März in Zahlungsschwierigkeiten kommen.

Athen muss im kommenden Jahr für die Refinanzierung fälliger Anleihen und bilateraler Kredite sowie für Zinsen 22,5 Milliarden Euro aufbringen. Ein schwieriger Monat ist der März mit Zahlungsverpflichtungen von 2,5 Milliarden. Kritisch werden auch die Monate Juni bis August mit Fälligkeiten von 11,3 Milliarden.

Eigentlich wollte die Regierung noch vor Ende des Jahres mit einer weiteren Bond-Emission an den Kapitalmarkt gehen, wie schon im April und Juli. Aber das hat sich zerschlagen, seit die Kurse der griechischen Staatsanleihen bereits im Herbst angesichts der absehbaren politischen Turbulenzen auf Talfahrt gingen. Aktuell liegt die Rendite der zehnjährigen Anleihe bei rund acht Prozent. Sich zu solchen Konditionen am Markt zu refinanzieren, wäre ruinös.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble erwartet von Griechenland auch nach Neuwahlen die Einhaltung der Sparzusagen. „Jede neue Regierung muss vertragliche Vereinbarungen der Vorgänger einhalten“, sagte Schäuble der „Bild“-Zeitung. Tsipras hat allerdings angekündigt, eine von ihm geführte Regierung sei nicht an die Verträge der Vorgängerregierung gebunden.

Tsipras stünde bei einem Wahlsieg vor schwierigen Entscheidungen. Stellt er den Schuldendienst tatsächlich ein, bedeutet das den Staatsbankrott. Um Renten und Gehälter im Staatsdienst zahlen zu können, müsste Tsipras Geld drucken. Das könnten allerdings nur Drachmen sein.

Deutsche Ökonomen sehen allerdings keine Gefahr für die gesamte Euro-Zone, selbst wenn Griechenland sich weiteren Reformen verweigern und in Turbulenzen geraten sollte. „Es könnte an den europäischen Märkten zu kleineren Erschütterungen kommen“, sagte der Ökonom Peter Bofinger dem Tagesspiegel. „Insgesamt ist das System aber inzwischen stabil.“ Griechenland werde international anders betrachtet als beispielsweise Italien oder Frankreich. Auch Michael Burda, Ökonomieprofessor an der Berliner Humboldt-Universität, sieht Europa heute in einem ganz anderen Zustand als noch vor einigen Jahren. „Eine Verschärfung der Situation in Griechenland wird keinen Dominoeffekt mehr auslösen“, sagt er.

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