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Politik: Zwölf Tage Aufschub

Von Barbara-Maria Vahl, New York Ihren gestrigen Nationalfeiertag konnten die Amerikaner in dem Gefühl begehen, nicht endgültig fast den ganzen Rest der Welt zum Feind zu haben. Denn dies wäre wohl der Fall gewesen, hätte es nicht am Mittwochabend in New York eine überraschende Wende gegeben.

Von Barbara-Maria Vahl,

New York

Ihren gestrigen Nationalfeiertag konnten die Amerikaner in dem Gefühl begehen, nicht endgültig fast den ganzen Rest der Welt zum Feind zu haben. Denn dies wäre wohl der Fall gewesen, hätte es nicht am Mittwochabend in New York eine überraschende Wende gegeben. Nach langem Gezerre hatte der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1421/2002 verabschiedet – und damit das Mandat für den Bosnien-Einsatz um zwölf Tage verlängert. Die Akteure strahlen, schüttelten sich herzlich die Hände und klopften sich auf die Schultern.

In höchster Anspannung, mit unterdrückter Wut aufeinander und Entschlossenheit zum Widerstand hatten alle den Tag begonnen. Dann doch zu passabler Zeit die erleichternde Lösung: Das Bosnien-Mandat wird verlängert, um weitere Zeit für Verhandlungen zu gewinnen. Der britische UN-Botschafter Jeremy Greenstock und US-Botschafter John Negroponte erklärten übereinstimmend, der Sicherheitsrat habe erkannt, dass die Zeit bis Donnerstagmorgen nicht reichen würde, um vor dem Hintergrund der bisher geführten Diskussionen zu einer Lösung über die schwierige Beziehung zwischen Bosnien-Mandat und Internationalem Strafgerichtshof (ICC) kommen zu können. Die USA haben den Vertrag über das ICC nicht ratifiziert – und benutzen die Entscheidung über den Bosnien-Einsatz als Druckmittel, um ihrer Position Nachdruck zu verleihen.

Viele UN-Delegationen hatten mehr Zeit zum Entscheiden über dieses schwierige Problem gewünscht. „Es war ein konstruktiver Kampf, der zu zunehmendem Verständnis und Akzeptanz unserer Position geführt hat“, erklärte Negroponte anschließend. Niemand habe bisher „krachend die Türen zugeschlagen“, und dies sei eine Basis, auf der man in der kommenden Woche die Gespräche fortsetzen könne.

Ganz so glatt ist es nicht gelaufen. Nach ersten Beratungen am Vormittag gab es europäische Diplomaten, die einen Sieg der USA für möglich hielten. Da hatte China bereits Zustimmung zum amerikanischen Ansinnen bekundet, Russland ebenfalls, weitere Länder schienen zu wackeln. Der Verdacht wurde herumgeflüstert, dass womöglich sogar Großbritannien eigene Verhandlungen führe und unter Umständen zum Einlenken bereit sei, und fraglich sei dann nur noch, wer danach alles „umfalle". Unerschütterlich fest erschien vor allem Frankreich, aber auch Irland.

Doch die Befürworter des ICC waren gut organisiert. 117 Teilnehmerstaaten am Vorbereitungskomitee für den Strafgerichtshof verabschiedeten eine Erklärung, in der sie alle Staaten aufriefen, „die unabhängige und effektive Arbeit des ICC sicherzustellen". Noch entscheidender aber war, dass Kopien eines Briefes von Generalsekretär Kofi Annan an US-Außenminister Colin Powell kursierten. Klar und scharf warnte Annan den Sicherheitsrat, in eine Resolution hineinzuschlittern, „deren Auswirkungen schon bald von allen bedauert werden könnten.“ Dies war um 17 Uhr 30.

Und um 18 Uhr 45 war die Kuh vom Eis. Optimistische Reaktionen tags darauf in Bosnien, aber auch in Deutschland: Nun gebe es die Chance, doch noch eine Lösung zu finden, sagte Außenminister Joschka Fischer. „Wir arbeiten daran, dass wir diese zwölf Tage erfolgreich machen.“

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