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Drei Damen aus dem Norden Zyperns demonstrieren jeden Tag für eine politische Lösung des Konflikts.

© Güsten

Zypern: Ein hoffnungsvoller Fall

Nord- und Südzyprer verhandeln über einen gemeinsamen Bundesstaat. Im Gegensatz zu früheren Wiedervereinigungsplänen könnte diesmal ein Durchbruch gelingen.

Morgens um neun Uhr in der Innenstadt von Nikosia-Nord, dem türkischen Sektor der geteilten Hauptstadt von Zypern. Der Berufsverkehr braust an drei älteren Damen vorbei, die mit Protestschildern an einer Kreuzung stehen. „Ein Volk, ein Vaterland“, ist auf dem Schild zu lesen, das die 64-jährige Gülay Kaser vor sich trägt, auf ihrem Rücken prangt der Satz „Weg mit der Grenze auf Zypern“. Seit 15 Monaten steht die pensionierte Beamtin hier jeden Morgen im Verkehr. „Wir wollen endlich eine Lösung, wir sagen: Es reicht.“

Bisher stehen die drei Rentnerinnen weitgehend auf verlorenem Posten. Sie zählen es als Erfolg, wenn von hundert vorbeifahrenden Autofahrern einer zustimmend hupt oder mit erhobenem Daumen Zuspruch signalisiert.

Im türkischen Nordzypern herrscht allgemeine Resignation. Mehr als ein halbes Jahrhundert ist es her, dass die gemeinsame Republik am Konflikt zwischen Griechen und Türken auf der Insel zerbrach. Seit einem griechischen Putsch in Nikosia und einer anschließenden türkischen Militärintervention vor 40 Jahren ist die Insel geteilt, der türkische Norden ist isoliert und verarmt. Den Nordzyprern hat auch ihre Zustimmung zu einer von den UN vermittelten Wiedervereinigung vor zehn Jahren nichts genützt, weil die Griechen im Süden dagegen waren.

Doch nun keimt neue Hoffnung auf eine Lösung auf. Die Spitzenvertreter beider Volksgruppen, der griechisch-zyprische Präsident Nicos Anastasiades und Dervis Eroglu, Chef der türkischen Zyprer, begannen am Dienstag in Nikosia mit einem neuen Anlauf für die Einheit der Insel.

Grundlage ist eine gemeinsame Erklärung, die am Dienstag vorgestellt wurde. Sie sieht die Bildung einer Föderation mit zwei Bundesstaaten vor. Die griechischen und türkischen Gebiete sollen bei der Regelung ihrer inneren Angelegenheiten weitgehend autonom sein; alle Zyprer sind aber gleichberechtigte Bürger des von den UN anerkannten und zur EU gehörenden Gesamtstaates. Die Verfassung dieses Gesamtstaates ist für alle bindend. Schwierige Sachfragen, wie die nach einer Rückgabe von Eigentum, sollen in den jetzt beginnenden Verhandlungen geklärt werden.

Nach Abschluss der Gespräche sollen Griechen und Türken auf der Insel in getrennten Referenden über den Entwurf für den neuen zyprischen Staat abstimmen. Die EU und die Türkei begrüßten die gemeinsame Erklärung der Zyprer und erklärten, sie hofften auf eine rasche Einigung zur Überwindung der Teilung.

Angesichts der vielen vergeblichen Einigungsversuche der Vergangenheit ist es kein Wunder, dass die neue Initiative von viel Skepsis begleitet wird. So steht Anastasiades innenpolitisch unter Druck, weil einige griechisch-zyprische Parteien die gemeinsame Erklärung als pro-türkisch ablehnen.

Doch es gibt auch Gründe zur Zuversicht. Die Finanzkrisen in Zypern und Griechenland haben die Vorteile einer Einigung in den Vordergrund treten lassen. Bisher kann das EU-Mitglied Zypern mit der nahen Türkei keinen Handel treiben. Auch wäre die Ausbeutung der um die Insel entdeckten Gasvorräte in einem vereinigten Zypern einfacher. Die Türkei ist ebenfalls an einer Lösung interessiert, weil dies Hindernisse bei ihrer EU-Bewerbung aus dem Weg räumen würde.

Auf diese günstigen Vorzeichen baut Özdil Nami, der Außenminister der nur von der Türkei anerkannten Republik der Zyperntürken. Es sei der Leidensdruck der Isolation, der ihn dazu ansporne, einen Konflikt anzupacken, der älter ist als er selbst, sagte der 46-Jährige unserer Zeitung in Nikosia: Eine bessere Zukunft für die junge Generation der Insel wolle er ermöglichen. Anders als bei früheren Einigungsversuchen sollten sich die Verhandlungen diesmal nicht jahrelang hinziehen, fügte Nami in dem Gespräch hinzu. Noch in diesem Jahr könnten die Verhandlungen abgeschlossen werden, hofft der Politiker aus dem Norden. „Wir können ein Vorbild für die ganze Region schaffen.“

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