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Zypriotischer Präsidentschaftskandidat Nikos Anastasiadis: „Wir haben keine Minute zu verlieren“

Zypern wählt am kommenden Sonntag einen neuen Staatschef – vor dem Hintergrund der schwersten Finanzkrise in der Geschichte der Landes. Als Favorit gilt der konservative Politiker Nikos Anastasiadis - ein Interview.

Herr Anastasiadis, wenn Sie die bevorstehende Präsidentenwahl gewinnen, übernehmen Sie die Führung eines bankrotten Landes.

Anastasiadis: Es stimmt, dass die neue Regierung unter extrem schwierigen Bedingungen antritt. Die öffentlichen Finanzen sind angespannt, der Bankensektor ist mit langwierigen Unsicherheiten konfrontiert, die Wirtschaft schrumpft, und die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordhöhe. Wir müssen diese Negativspirale durchbrechen.

 Wie wollen Sie das schaffen?

Ich werde ein Kabinett berufen, das den  Herausforderungen gewachsen ist. Ich werde einen wirtschaftlichen Sachverständigenrat einsetzen. Ich werde eine vollständige Prüfung der Staatsfinanzen anordnen, damit wir das wahre Ausmaß der Probleme erkennen. Und dann werden wir darangehen, unser Haus in Ordnung zu bringen.

 Was ist ihre Botschaft an die EU-Partner Zyperns?

Ich sage: Jawohl, wir sind mit einem sehr dringenden kurzfristigen Finanzierungsproblem konfrontiert. Ja, wir brauchen Hilfe. Aber wir sind eine neue Regierung, die alles Nötige tun wird, um die Wirtschaft wieder aufs Gleis zu bringen. Wir werden alle Ziele und Zeitpläne, die mit der Troika vereinbart sein, einhalten. Wir werden Vertrauen zurückgewinnen. Ich bin sicher, dass wir in diesem Geist das Hilfsabkommen abschließen können und die dringend benötigte Hilfe erhalten. Von da an weiß ich, dass Zyperns Wirtschaft ausgezeichnete Aussichten hat.

 Wann erwarten Sie die Hilfe?

 Wir haben keine Zeit verlieren, keine Minute. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir mit unsere EU-Partnern und dem Internationalen Währungsfonds gut zusammenarbeiten werden und die Hilfe rechtzeitig erhalten. Ich spreche von Wochen, nicht Monaten.

 Wir konnte Zypern in diese verzweifelte Situation kommen?

Sie ist das Ergebnis politischer Fehlentscheidungen und verspäteter Reaktionen auf die internationale Krise. Das alles war vermeidbar. Der scheidende Präsident hat öffentlich erklärt, die Krise werde um Zypern einen Bogen machen. Das war eine schwere Fehleinschätzung, auf dessen Grundlage die Regierung mehr ausgab als sie einnahm. Sie produzierte Defizite und häufte Schulden auf. Was alles noch schlimmer machte: Die Ausgaben flossen in völlig unproduktive Bereiche.

 Der scheidende Präsident Christofias macht die Banken für das Desaster verantwortlich.

 Auch die Banken haben zu viele Kredite vergeben. All das konnte nicht ewig gutgehen. Aber was unsere Wirtschaft dann aus dem Gleis geworfen hat, war die Entscheidung für den griechischen Schuldenschnitt, ohne jede Form der Hilfe für die zyprischen Banken, die erhebliche Bestände an griechischen Staatsanleihen hielten. Diese politische Entscheidung der EU hat Zypern eine unverhältnismäßig schwere Last aufgebürdet.

Was hätten Sie anders gemacht?

Erstes hätten wir Haushaltsdisziplin üben müssen. Wir hätten mit größerer Entschiedenheit einen schlankeren, produktiveren und weniger verschwenderischen öffentlichen Sektor schaffen müssen. Öffentliche Verschwendung durch Schulden und höhere Steuern zu finanzieren, treibt die Wirtschaft letztlich nur tiefer in die Rezession. Zweitens hätten wir Anreize für private Investitionen und Unternehmertum bieten müssen. Das ist der einzig wirksame Weg, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Menschen wieder in den Produktionsprozess zurückzubringen, ist die beste Form der Fürsorge.

Privatisierungen bringen nicht genug Geld ein.

 Der amtierende Präsident wehrt sich gegen Privatisierungen. Was sagen Sie?

 Er sagt, er ist gegen Privatisierungen, aber im Memorandum mit der Troika hat er ihnen zugestimmt. Ich glaube nicht, dass Privatisierungen genug Geld einbringen, um den Schuldenstand nennenswert zu reduzieren. Wir werden das prüfen. Eine Möglichkeit wäre, strategische Investoren für Teilprivatisierungen öffentlicher Unternehmen zu gewinnen und gleichzeitig die Beschäftigten zu beteiligen.

 Zypern wird beschuldigt, der Geldwäsche Vorschub zu leisten. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?

Diese Behauptungen sind unfair und völlig übertrieben. Ich räume ein: Es gab in der Vergangenheit Probleme und Grauzonen. Aber seither haben wir unsere Gesetzgebung und unsere Institutionen erheblich verbessert, was auch bei internationalen Prüfungen positiv anerkennt wurde. Die Troika hat ebenfalls unsere Maßnahmen gegen Geldwäsche geprüft und nur einige kleinere Verbesserungsvorschläge gemacht, die wir sofort und einstimmig im Parlament verabschiedet haben.

 Gesetze sind das eine, ihre Umsetzung ist etwas anderes. Was werden Sie tun, um die Geldwäschevorwürfe zu entkräften?

Ich werde mich verpflichten, dass wir alle weiteren Empfehlungen unserer EU-Partner zur weiteren Verbesserung unserer Gesetze und Verfahren umsetzen. Und wir werden uns jederzeit Inspektionen und Überprüfungen unterziehen, um zu zeigen, dass wir nichts zu verbergen haben.

 Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Zypern Unternehmensgewinne nur mit zehn Prozent besteuert. Werden Sie einer Erhöhung zustimmen?

 Nein. Denn ich glaube nicht, dass Steuererhöhungen eine Lösung sind. Andere EU-Länder haben ebenfalls niedrige Steuersätze. Einige haben nominell zwar höhere Sätze, aber in der Praxis ist die Besteuerung dort viel niedriger als bei uns, wenn man Steuervergünstigungen berücksichtigt. Steuererhöhungen würden uns nur noch tiefer in die Rezession führen. Das hat auch die Troika erkannt, und deshalb ist eine Erhöhung der Unternehmenssteuern im Memorandum nicht vorgesehen.

 Zypern hofft auf Öl- und Gasvorkommen. Könnte das helfen, die Krise zu überwinden?

Selbstverständlich. Wir brauchen dringend billigere und sauberere Energie für unsere Haushalte und unsere Industrie. Die Gasvorkommen sind darüber hinaus groß genug, um bedeutende Exporterlöse zu erzielen. Aber die Ausbeutung dieser neuen Energiequellen muss in einer sehr vorsichtigen, transparenten und gut durchdachten Weise erfolgen, und genau das wird meine Regierung sicherstellen.

Vita:

Der 66-jährige Anwalt Nikos Anastasiadis ist einer der erfahrensten Politiker Zyperns. Vor 32 Jahren wurde  er erstmals ins Inselparlament an gewählt, seit 1997 ist er Vorsitzender der konservativen Demokratischen Sammlungsbewegung (Disy). Die Verfassung Zyperns gibt dem Staatspräsidenten eine ungewöhnliche Machtfülle: Er ist zugleich Staatsoberhaupt und Regierungschef, kann Minister unabhängig vom Parlament berufen und entlassen. Politische Beobachter schließen nicht aus, dass Anastasiadis bereits im ersten Wahlgang am Sonntag die erforderliche Mehrheit von über 50 Prozent der Stimmen erhält. Bleibt er darunter, muss er sich am Sonntag darauf einer Stichwahl stellen.

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