Brandenburg: Klimaziele ade
Brandenburg kann seine Klimaschutzziele nicht einhalten. Erneut ist der Ausstoß von Kohlendioxid gestiegen – wegen der Braunkohlekraftwerke
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Potsdam - Noch vor der Sommerpause will Brandenburgs rot-rote Landesregierung trotz aller Bedenken über den neuen Braunkohletagebau Welzow Süd II befinden. Dabei steht inzwischen fest, dass die von der Regierung selbst gesteckten Klimaschutzziele auch ohne den neuen Tagebau nicht einzuhalten sind. Anstatt den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO2) zu senken, verzeichnet das Landesumweltamt einen Anstieg. Weil immer mehr Kohle in den Kraftwerken des Energiekonzerns Vattenfall verfeuert wird, ist keine Trendwende in Sicht. Daher stellt sich das Umweltministerium von Anita Tack (Linke) vehement gegen den neuen Tagebau.
Wie aus der aktuellen Klimagasinventur des Landesumweltamtes für das Jahr 2012 hervorgeht, ist „der Wiederanstieg der CO2-Emissionen in Brandenburg auf das Niveau der Jahre 2006 und 2007 maßgeblich durch zunehmende Kohleverstromung begründet“. Insgesamt wurden 2012 62 Millionen Tonnen Kohlendioxid in Brandenburg ausgestoßen. Für 2013 rechnet das Landesumweltamt mit einem weiterem Anstieg. Mehr als 60 Prozent des für den Klimawandel verantwortlichen Treibhausgasausstosses entfielen aber auf die Braunkohleverstromung. Deren Anteil am landesweiten CO2-Ausstoß stiegen stieg von 35 Millionen Tonnen im Jahr 2010 auf 37 Millionen Tonnen im Jahr 2012.
Jeder einzelne Brandenburger ist damit ein Klimasünder. Denn die Pro- Kopf-Emission in Brandenburg ist im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich hoch. „Die gegenwärtigen 24,3 Tonnen CO2 pro Einwohner stellen auch im internationalen Vergleich einen negativen Spitzenwert dar“, heiß es in dem 19-seitigen Papier der Landesbehörde. „Davon entfallen allerdings 10 Tonnen pro Einwohner auf die Strommenge, die für andere Bundesländer erzeugt wird.“ Im Klartext: Brandenburgs Klimabilanz ist auch deshalb schlecht, weil der von Vattenfall produzierte Strom zu großen Teilen hierzulande gar nicht verbraucht wird. „Kein anderes Bundesland führt mehr Strom aus, als es selbst verbraucht“, heißt es in dem Papier.
Konkret ist fast die Hälfe des brandenburgischen CO2-Ausstoßes sei auf den Energieexport zurückzuführen – und der nehme ebenfalls zu, stellte das Landesumweltamt fest. Dafür holt der schwedische Staatskonzern auch immer mehr Braunkohle aus seinen Tagebauen in der Lausitz. Im vergangenen Jahr waren es 63,6 Millionen Tonnen, 1,2 Millionen Tonnen mehr als 2012. Die Folge: ein Anstieg des CO2-Ausstoßes in den Jahren 2010 bis 2012 um fast sieben Prozent.
Das aber steht in Widerspruch zu der im Frühjahr 2012 von der Landesregierung verabschiedeten Energiestrategie. Demnach soll der CO2-Ausstoß aus der Energieproduktion in Brandenburg bis zum Jahr 2030 um 72 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 – also von 91 Millionen auf 25 Millionen Tonnen – gesenkt werden. Braunkohle sollte nur unter einer Bedingung weiter nutzt werden: der Einsatz effizienter und CO2-armer Kraftwerke und Technologien zur sicheren Speicherung des Klimagases. Doch daran hält sich Brandenburgs Landesregierung selbst nicht. Es bestehe kaum Aussicht, dass die Vorgaben auch umgesetzt werden, kritisierte das Landesumweltamt. Zudem gebe es gar keine Notwendigkeit für das Festhalten an der Braunkohle. Denn durch den Ausbau der erneuerbaren Energien werde ein Großteil des Energiebedarfs des Landes bereits klimafreundlich gedeckt.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) interessieren sich offenbar kaum für die Klimaziele. Die Landesregierung will den Braunkohleplan noch vor der Sommerpause und damit vor der Landtagswahl im September beschließen. Besonders die Linke könnte damit in Erklärungsnot geraten, hatte sie sich doch vor der Landtagswahl 2009 noch strikt gegen neue Tagebaue ausgesprochen. Ein Kohleausstieg bis zum Jahr 2040, wie ihn die Linke durchsetzen will, wäre mit dem neuen Tagebau Welzow Süd II unmöglich.
Aber besonders Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) macht Druck. Erst kürzlich hatte er sich erneut für mehr Braunkohle aus der Lausitz starkgemacht. „Wir sind Industrieland und wir wollen Industrieland bleiben“, erklärte Christoffers. Unter Umständen müsse die Politik deshalb auch unpopuläre Entscheidungen treffen.
Seine Genossin Tack im Umweltressort sperrt sich dagegen. Ihr Ministerium und das Landesumweltamt hatten bereits im Zuge des Beteiligungs- und Anhörungsverfahrens den neuen Tagebau mehrfach strikt abgelehnt und sich den Zorn der Staatskanzlei und der Ministerien für Wirtschaft und Infrastruktur zugezogen. Tacks Position ist klar: Es gebe keine energiepolitische Notwendigkeit für den Tagebau, zudem würden die Klimaschutzziele des Landes gefährdet.
Überdies hat der Freistaat Sachsen dem Energiekonzern Vattenfall jetzt den neuen Tagebau Nochten II genehmigt. Für den Umweltverband Grüne Liga ist Welzow Süd II auf brandenburgischer Seite damit „noch unnötiger als ohnehin schon“. Ein Sprecher des Infrastrukturministeriums sagte denn auch, selbstverständlich werde die Entscheidung in Sachsen Auswirkungen auf die Brandenburger Planverfahren haben. Ende April – nach einer Ressortabstimmung– wird die Gemeinsame Landesplanungsbehörde dem zuständigen Braunkohleausschuss den Braunkohleplan für Welzow Süd II vorlegen. Trotz der zahlreichen Einwände heißt es bei der Behörde: Es gebe keine Ko-Kriterien, die gegen einen neuen Tagebau sprechen würden. Braunkohlegegner halten diese Aussage für einen Witz.
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