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Walter Homolka, der Gründer des Abraham-Geiger-Kollegs.

© Andreas Klaer

Update

Zentralrat der Juden legt ersten Untersuchungsbericht vor: „Ein Verbleib von Professor Homolka ist nicht mehr denkbar“

Vorteilsannahme und Nötigung: Gegen den Gründer des Potsdamer Geiger-Kollegs, Walter Homolka, gibt es neue, schwere Vorwürfe. Der Beschuldigte weist diese zurück.

| Update:

Es sind neue, schwere Vorwürfe. Gegen den Gründer und bisherige Rektor des Potsdamer Abraham-Geiger-Kollegs, Rabbiner Walter Homolka, soll in mindestens neun Fällen der Anfangsverdacht einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorliegen. Dabei soll es sich unter anderem um Vorteilsannahme und Nötigung handeln.

Gegen den Ehegatten von Homolka bestehe demnach in zwei Fällen der Anfangsverdacht der Verbreitung pornografischer Inhalte. Studierendenvertreter berichteten zudem von einem „Klima der Angst“ am Abraham-Geiger-Kolleg.

Das erklären die Autoren eines vom Zentralrat der Juden in Auftrag gegebenen Untersuchungsberichts, der Kölner Strafrechtler Prof. Björn Gercke und die Rechtsanwältin Kerstin Stirner, in einer vorläufigen Zusammenfassung ihres Berichts, die am Mittwoch vom Zentralrat veröffentlicht wurde. Eine endgültige Fassung soll erst im kommenden Jahr vorliegen.

Gatte von Homolka äußert sich nicht zu Vorwürfen

„Ein Verbleib von Professor Homolka in seinen bisherigen Ämtern ist mit diesem Ergebnis nicht mehr denkbar“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, nach der Veröffentlichung des Berichts. „Das in der Zusammenfassung dargestellte persönliche Fehlverhalten von Rabbiner Homolka, die von ihm angehäuften Ämter und die Schaffung von Abhängigkeiten haben im Zusammenspiel mit strukturellen Ursachen ein Umfeld geschaffen, das den hohen moralischen und ethischen Standards einer Rabbinerausbildung nicht gerecht wird.“

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, kann sich einen Verbleib von Homolka nicht vorstellen.
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, kann sich einen Verbleib von Homolka nicht vorstellen.

© Patrick Pleul, dpa

Für den Untersuchungsbericht haben die Autoren insgesamt 79 Interviews mit 73 Personen durchgeführt. Zudem standen ihnen diverse schriftliche Unterlagen des Geiger-Kollegs und weiterer jüdischer Einrichtungen zur Verfügung. Auch Homolka und sein Gatte erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

79

Interviews mit 73 Personen führten die Autoren des Untersuchungsberichts durch

Die Äußerungen Homolkas gingen jedoch erst am Sonntag, 4. Dezember, nach 20 Uhr bei der mit der Untersuchung befassten Anwaltskanzlei ein. Sein Gatte äußerte sich gar nicht. Die Autoren der Zusammenfassung betonen deswegen, dass ihre Erkenntnisse noch unter dem Vorbehalt der Befassung mit Homolkas Äußerungen stünden. Zudem verwiesen sie darauf, dass es sich bei allen Vorwürfen „nicht um feststehende (im Sinne von erwiesen) Sachverhalte handelt, sondern um Verdachtsfälle, die die Untersuchungsführer auf Basis der ihnen zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ermittelt haben.“

Keine Vorwürfe aus dem Bereich des sexuellen Missbrauchs

Tatsächlich erhält die vom Zentralrat veröffentlichte Zusammenfassung des Gutachtens keinerlei Details hinsichtlich der gegen Homolka erhobenen Vorwürfe. Deutlich wird allerdings, dass gegen Homolka und seinen Gatten keine Vorwürfe aus dem Bereich des sexuellen Missbrauchs vorliegen.

In seiner beim Zentralrat eingegangenen Stellungnahme hatte Homolka die Vorwürfe des Gutachtens von seinem Rechtsanwalt als „substanz- und haltlos“ bezeichnen lassen. So fehle es insbesondere an hinreichenden Beweistatsachen. „Deshalb dürften die Vorwürfe bereits nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“, zitiert die Zusammenfassung das Schreiben von Homolkas Anwalt.

Die Berliner Kanzlei Behm Becker Geßner, die Homolka vertritt, äußerte am Mittwochnachmittag den Vorwurf, dass das gesamte Vorgehen politisch motiviert sei. Die Aussage des Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sei „verantwortungslos und vorverurteilend“, kritisierte die Kanzlei.

Gerügt werde, dass es keinen schriftlichen Auftrag für das Gutachten der Untersuchungsführer gebe, dem sich die zu untersuchenden Einrichtungen ebenfalls schriftlich unterworfen hätten und der Gegenstand und Umfang der Untersuchung klar umreiße. Es gebe auch kein Ermittlungsverfahren gegen seinen Mandanten.

Allerdings bestätigte Oberstaatsanwalt Frank Winter von der auf Korruptionsberichte spezialisierten Schwerpunktstaatsanwaltschaft Neuruppin dieser Zeitung, sich derzeit mit den Vorwürfen gegen Homolka zu befassen. Man prüfe die Ergebnisse der Untersuchung auf strafrechtliche Relevanz, hieß es.

Geiger-Kolleg: Zentralrat fordert umfassenden Neuanfang

Homolka selbst hatte in dieser Woche bereits Teile seiner Ämter abgegeben: In einem Brief an die Gemeinden der „Union Progressiver Juden“, der dieser Zeitung vorliegt, kündigte Homolka an, dort nicht mehr für den Vorsitz zu kandidieren. Am Montag abend gaben das Abraham-Geiger-Kolleg und Homolka bekannt, dass die Rabbinerausbildung in Potsdam künftig in Form einer Stiftung organisiert werden soll, an der Homolka nicht mehr beteiligt sein wird.

Dieser Vorschlag wurde allerdings vom Zentralrat der Juden, vom Brandenburger Wissenschaftsministerium und vom Bundesinnenministerium als bisherigen Geldgebern des Abraham-Geiger-Kollegs am Mittwoch zurückgewiesen. „Wir brauchen rasch einen klaren Schnitt zu der bisherigen Struktur und einen umfassenden Neuanfang“, sagte Schuster. „Der aktuell vorliegende Vorschlag zur Gründung einer Ausbildungsstiftung steht in seiner Undurchsichtigkeit in Kontinuität zu der bisherigen Struktur und ist damit nicht geeignet, das Problem in den Griff zu bekommen.“

Dem Zentralrat gehe es vor allem um die Studierenden und Beschäftigten am Kolleg. Sie müssten geschützt, und die Zukunft der Forschung und Lehre müsse gesichert werden. „Bis das AGK strukturell „neu aufgestellt“ ist, soll die Ausbildung in der bisherigen Form weitergeführt werden, um die Kontinuität der Rabbinerausbildung in Deutschland sicherzustellen.“ Die Zuwendungsgeber sicherten am Mittwoch zu, dass die Finanzierung des Geiger-Kollegs so lange im bisherigen Umfang fortgesetzt werde, bis über eine neue Struktur entschieden sei.

Auch die andere Potsdamer Rabbinerausbildungsstätte, das Zacharias-Frankel-College, distanzierte sich am Mittwoch von Homolka und dem Stiftungsmodell. „Wir denken, dass die Gründung von Institutionen, auch oder insbesondere von Institutionen, die Rabbiner:innen ausbilden, nicht von der Verpflichtung befreit, diese im Nachgang ethisch-moralischen Grundsätzen entsprechend zu leiten“, heißt es in einer Stellungnahme, die von Dekan Rabbiner Prof. Bradley S. Artson und weiteren Vorstandsmitgliedern unterzeichnet war.

„Allein das Verdienst, solche Ausbildungsstätten ins Leben gerufen zu haben, berechtigt nicht, sie nach eigenem Gutdünken zu führen. Hier ist ein Neuanfang von Nöten.“ Man wolle gemeinsam mit der Universität Potsdam, dem Zentralrat und anderen Partnern nach neuen Wegen für das College suchen.

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