Von Dirk Becker: Abschied ohne Tränen
Nach zehn Jahren scheidet Gabriele Fischer aus ihrem Amt. Am Freitag bedankte sie sich für diese Zeit
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Es gibt Veranstaltungen, da wünscht man sich nichts sehnlicher als in die Köpfe der Anwesenden schauen zu können, um so zu erfahren, was sie wirklich denken.
Gabriele Fischer ist an diesem Freitag Nachmittag im Foyer des Hans Otto Theaters kaum zu sehen. Viele sind gekommen – aus der Verwaltung, der Kultur, den Schulen und dem Sport – um sich persönlich bei der scheidenden Beigeordneten für Bildung, Kultur und Sport zu verabschieden und auch zu bedanken. Die Schlange der Wartenden wird immer länger, das Foyer immer voller. In fast jeder Hand ein Blumenstrauß oder eine Topfpflanze. Auch Sekt- und Weinflaschen sind zu sehen, daneben kleinere und größere, in buntem Papier verpackte Geschenke. Doch schaut man in die Gesichter der Gäste, die dort geduldig in der Schlange stehen und warten, könnte der Eindruck entstehen, dass es sich hier um eine Pflichtveranstaltung handelt.
Gabriele Fischer hat ins Foyer des Theaters geladen, um sich zu verabschieden. Ursprünglich war nur eine kleine Runde geplant, doch immer mehr hatten sich angemeldet, um bei Fischers letzter, hier schon fast privater Amtshandlung dabei zu sein. Acht Jahre hat Fischer offiziell, zwei Jahre davor schon kommissarisch das Ressort Bildung, Kultur und Sport geleitet. In ihrer Amtszeit hat sich viel verändert und getan, wurden Großprojekte wie die Sanierung des Kulturstandortes in der Schiffbauergasse und der Neubau für das Hans Otto Theater umgesetzt. An vielem hat Gabriele Fischer ihren Anteil. Doch schon immer stand sie in der Kritik, bei vielem nicht zu reagieren, geschweige denn zu agieren. Dass die Arbeit als Beigeordnete für insgesamt drei Ressorts bei begrenzten finanziellen Mitteln mehr als schwierig war, sprach ihr niemand ab. Doch zu oft lautete bei Problemen die Devise einfach nur: Schweigen und aussitzen.
Mitschuld an den gescheiterten Bewerbungen Potsdams zur Kulturhauptstadt Europas und zur Stadt der Wissenschaft. Versagen bei der Entwicklung von Schulstandorten in der Stadt. Die Pleite mit dem geplanten Stadtschreiber Andreas Maier. Die Insolvenzen von Lindenpark und Waschhaus. Der Eklat mit dem Standortbeauftragten für die Schiffbauergasse Martin Schmidt-Roßleben – die Liste der Verfehlungen, die der Beigeordneten Gabriele Fischer vorgeworfen werden, ist länger als die mit ihren Erfolgen. Und wie so oft, wiegt das, was nicht erreicht wurde, schwerer. Das war vor allem der Grund, warum nun nach acht Jahren offizieller Amtszeit ihre Stelle neu ausgeschrieben wird. Wer Fischer ersetzen wird, ist noch nicht klar. Und auch über ihre berufliche Zukunft schwieg sich die scheidende Beigeordnete aus.
Über Gabriele Fischer wurde viel geschimpft – ob im Sport, in der Kultur oder der Bildung. Das war keine Kritik mehr, das war Hilflosigkeit und Wut. Als im vergangenem November bekannt wurde, dass Gabriele Fischer Ende Februar aus ihrem Amt scheiden würde, war bei vielen Erleichterung zu spüren. Stimmen, die ihren Weggang bedauerten, waren nicht zu hören. Im Gegenteil. Erstaunlich offen gaben sich leitende Verwaltungsangestellte selbst Journalisten gegenüber wenn sie sagten, dass sie froh sind, dass diese Frau endlich aus ihrem Amt verschwindet.
Davon war am Freitag im Theaterfoyer nichts zu hören. Gabriele Fischer bedankte sich bei allen Anwesenden für die zurückliegende Zeit, sprach von der Schwierigkeit ihrer Arbeit, die ihr allzu oft Kompromisse abverlangt habe. Und sie gab Burkhard Exner, Bürgermeister und Finanzbeigeordneter, der in Vertretung des verhinderten Oberbürgermeisters Jann Jakobs (SPD) gekommen war, mit auf den Weg, dass Bildung, Kultur und Sport zukunftweisend und entsprechend auch teuer seien. „Lieb und teuer“, entgegnete daraufhin Exner mit salbungsvoller Stimme.
Was dann folgte, war wirklich erstaunlich.
Egal wer jetzt ans Mikrofon trat, ob die Leiterin der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam, Marion Mattekat, oder der Trainer der Fußballerinnen von Turbine Potsdam, Bernd Schröder, alle lobten und huldigten sie Gabriele Fischer. Da reckte man dann doch seinen Hals, um einen Blick auf die Hauptperson des Nachmittags zu werfen und sich zu überzeugen, dass es sich dabei wirklich um die scheidende Beigeordneten für Bildung, Kultur und Sport handelte. Vielleicht ist es naiv zu glauben, dass bei einer solchen Veranstaltung harsche Worte fallen. Doch bei so viel Heuchelei wünschte man sich doch kritische Stimmen.
So blieb der Blick in die Gesichter der Umstehenden, da sah man viele ihre Augen verdrehen oder den Kopf schütteln. Dann sprach Eberhard Kapuste (CDU), der viele Jahre als Vorsitzender im Kulturausschuss regelmäßig mit Gabriele Fischer zu tun hatte. Zu einer eindeutigen Aussage kam er am Ende seiner Rede nicht. Er sagte nur: „Ich glaube, sie haben viel erreicht.“ In diesem kurzen Satz schwang mehr Kritik und Ehrlichkeit mit, als in allen Ansprachen davor.
Dirk Becker
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