Landeshauptstadt: Alles mucksmäuschenstill
Berliner Labor will Hans Otto Theater zu einer stimmigen Akustik verhelfen
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Berliner Vorstadt - „Messung“ tönt es – und im mit über 400 Personen voll gefüllten Zuschauersaal des neuen Potsdamer Hans Otto Theaters wird es mucksmäuschenstill. Ein Signalton jault bis zum schrillen Pfeifen auf, nach einer kurzen Pause kommt die Entwarnung „Messung beendet“. Ein Kind stimmt einen lang anhaltenden Lacher an; das Publikum klatscht.
24-mal lässt es die Prozedur über sich ergehen, bei herunter- und heraufgelassenem schallschluckenden Eisernem Vorhang und auch dem samtenen Hauptvorhang. Immer wieder stellt Hans-Peter Tennhardt den so genannten Kunstkopf an eine andere Stelle des Saals. Der Chef des Instituts für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken, das an der Technischen Universität Berlin angesiedelt ist, hat von der Theaterleitung den Auftrag erhalten, die mangelhafte Akustik im Zuschauersaal zu überprüfen und aus der Analyse Verbesserungsvorschläge abzuleiten. Das klappt aber nur, wenn der Raum voll besetzt ist, wie er es seit der Eröffnung des Neubaus am 22. September bisher stets war. Intendant Uwe Eric Laufenberg zeigte sich deshalb entzückt, dass die Potsdamer gestern seinem über die Medien verbreiteten Aufruf, an den Messungen teilzunehmen, in so großer Zahl gefolgt waren.
Dafür werden sie belohnt. Sie müssen nicht nur den wiederholten Jaulton aushalten, sondern bekommen auch ein kleines Programm geboten. Als Rita Feldmeier in Begleitung des Pianisten Christian Deichstätter ein Chanson singt, merkt man schon: Eine verbesserte Akustik wäre dringend nötig. Dann folgt nach Simulation der Variante „Schauspiel I“ eine Umbaupause. Die Zuschauer der ersten vier Reihen werden vertrieben, ihre Stühle ausgebaut. Ihr Ärger ist aber nur kurz. Dem Spektakel können sie trotzdem weiter folgen, denn die Sitzgelegenheiten werden auf der Hinterbühne wieder aufgestellt. Nur wenn Tennhardt für die Messungen „Vorhang zu“ dirigiert, sitzen sie für ein paar Augenblicke im Dunkeln. Auch das Aufklappen des Orchestergrabens können sie dann nicht mitverfolgen. Diese zweite Messreihe untersucht die Variante „Schauspiel II“, in der der vordere Teil des Saals in die Stücke einbezogen wird. Dann fallen die sonst dort sitzenden Zuschauer als „Resonanzboden“ weg, und die akustischen Nachteile müssen durch Hilfsmittel ausgeglichen werden. Welche das sein könnten, soll nun die Analyse der Messungen ergeben. Zufrieden zog das Publikum ob des unterhaltsamen Spektakels und Tennhardt mit den Messergebnissen von dannen. Schon Anfang der Woche will sein Labor erste Ergebnisse vorlegen, am kommenden Sonntag findet dann erneut eine Messung statt. Tennhardts Labor hat übrigens unter anderem dafür gesorgt, dass der Plenarsaal des Reichstags in Berlin eine stimmige Akustik erhielt. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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