
© Andreas Klaer
Von Jan Brunzlow: Der Schlüssel ist übergeben
Mit emotionalen Reden und viel Anerkennung ist Ortrud Meyhöfer verabschiedet worden – ihr folgt Karen Pölk
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Irgendetwas muss sie richtig gemacht haben, wahrscheinlich alles. Sei es der frühere Bildungsminister Steffen Reiche, frühere Schüler der Schule, der Elternsprecher, Oberbürgermeister Jann Jakobs oder Schulamtsleiter Ulrich Rosenau – sie alle fanden warme und liebevolle Worte zum Abschied von Ortrud Meyhöfer, die am Freitagabend nach fast 18 Jahren als Leiterin der Voltaire-Gesamtschule in den Ruhestand verabschiedet worden ist. Sie hat in dieser Zeit mit ihrem Kollegium aus einer verloren geglaubten Einrichtung eine der begehrtesten Schulen der Stadt geformt und war dabei „beliebt, aber auch gefürchtet“, wie Jakobs es beschrieb.
Es war im Jahr 1993, als Jann Jakobs und Meyhöfer das erste Mal aufeinanderprallten. Der neue Jugendamtsleiter auf der einen und die neue Schulleiterin aus dem Westen Berlins auf der anderen Seite. Jakobs hatte damals vorgeschlagen, einen Jugendklub in der Schule einzurichten, damit das als problematisch geltende Schülerklientel der damaligen Schule 9 einen Ausgleich hat. „Alle waren begeistert von der Idee, nur Ortrud Meyhöfer nicht“, erinnert sich Jakobs. Da habe er gedacht: Na mal sehen, wann sie einknickt. Er hat schnell gelernt: Sie knickt nicht ein. Jakobs: „Am Ende bin ich eingeknickt.“ So war es häufig in Diskussionen mit Ortrud Meyhöfer. Nur Schulrat Ulrich Rosenau wähnt sich auf der Seite der Meyhöfer-Bezwinger: Es habe viele Treffen mit ihr gegeben und sie habe den Gedanken der Freiheit sehr verinnerlicht. „Doch sie hat nie die größere Weisheit des Schulamtes vergessen“, so Rosenau. Zumal: „Das Schulamt saß als Informeller Mitarbeiter jeden Morgen mit am Frühstückstisch“, witzelte er. Immerhin war Meyhöfers Ehemann Wolfgang Bogel-Meyhöfer jahrelang der für die weiterführenden Schulen in der Landeshauptstadt zuständige Schulrat.
Doch besser als alle anderen beschreibt sich Meyhöfer an diesem Abend im Saal des NH Hotels Voltaire selbst. Als das Mikrofon falsch stand, rief sie: „Das geht doch ganz einfach Kinder, ihr macht mal Folgendes: “ Ein paar Worte später und schon hatte der frühere Bildungsminister Steffen Reiche alles umgestellt. Ein Sinnbild: Sie entwickelt Ideen, packt an, versucht Kollegen dafür zu begeistern und setzt sie um. Wenn es nicht gleich klappt, bleibt sie hartnäckig am Ball. „Bewegt“ nennen das Lehrer und Schüler, wenn sie über die Arbeit Meyhöfers reden.
Doch nun ist Schluss mit Schule, mit Unterrichtsvorbereitung, neuen Schulmodellen – nun ist sie Ruheständlerin, lebt in Wilhelmshorst und will sich in Zukunft anderen Dingen widmen. Reisen beispielsweise. Schüler Franz Braun, der vor dreieinhalb Jahren das Abitur an der Voltaire-Schule abgelegt hat, wusste noch eine andere anstehende Aufgabe, für die seine damalige Rektorin geeignet wäre: „Bildungsministerin! Doch der Job ist gerade neu vergeben“, sagte er.
Meyhöfer hat die Schule in den vergangenen Jahren geprägt. Sie hat große Projekte wie die Erarbeitung von Biografien verfolgter Juden in der Stadt Potsdam ins Leben gerufen, mit deren Hilfe dann sogenannte „Stolpersteine“ verlegt worden sind. Sie hat jeden Schulversuch gestartet, den das Land Brandenburg ins Leben gerufen hat. Ihre Schule ist die einzige Gesamtschule Brandenburgs mit einer Leistungs- und Begabungsklasse. Und es ist die einzige Schule des Landes, an der Schüler das Abitur regulär nach zwölf oder 13 Jahren ablegen können. „Sie hat ihren Beruf zur Berufung gemacht und hinterlässt ein großes Vermächtnis“, sagte Hikmet Güvenc, Botschaftsmitarbeiter der Türkei und jahrelang ehrenamtlich an der Schule tätig.
In Meyhöfers Spuren will ihre Nachfolgerin hineinwachsen. Karen Pölk wird ab Mittwoch die Leitung der Voltaire-Schule übernehmen, den Schulschlüssel dafür hat sie von Meyhöfer erhalten. „Heute ist mir erst richtig bewusst geworden, wie groß mein Mut gewesen sein muss, mich hier zu bewerben“, sagte sie. „Und wie groß die Latschen sind, die in der Schule stehen.“ Sie hofft, in zwei Jahrzehnten mit eben so viel Wehmut verabschiedet zu werden. Dann hätte auch sie alles richtig gemacht.
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