Landeshauptstadt: Erste Machtprobe zum Haushalt
Keine Mehrheit für Linke im Finanzausschuss – doch Abstimmung im Stadtparlament ist weiter offen
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Die Zeichen stehen weiter auf Sturm: Ob und wie der Potsdamer Haushalt am Mittwoch in einer Woche beschlossen wird, ist immer noch unsicher. Streitpunkt ist das Schulessen für bedürftige Kinder und Jugendliche – die erste Machtprobe lieferten sich die Haushaltskoalition aus SPD, CDU, Grünen und Familienpartei und die Fraktion Die Linke gestern im Finanzausschuss. Dieser hatte auf einer Sondersitzung den Haushaltsentwurf und alle Änderungsvorschläge der Fraktionen abgestimmt. Das Votum des Fachausschusses bildet eine Empfehlung für die Stadtverordnetenversammlung zum Haushaltsbeschluss am kommenden Mittwoch. Das Fazit: SPD, CDU und Grüne haben dank der Familienpartei eine denkbar knappe Mehrheit gegen die Linke. Die Fraktion unter Führung von Hans-Jürgen Scharfenberg scheiterte zum zweiten Mal mit ihrem Anliegen, allen Schülern aus Hartz-IV-Familien kostenloses Essen anzubieten. Dies hatten die Stadtverordneten bei ihrer jüngsten Sitzung bereits abgelehnt – mit äußerst knapper Mehrheit von 25 zu 22 Stimmen bei namentlicher Abstimmung. Stattdessen entschieden sich die Stadtverordneten für die Variante der Verwaltung, ab dem Schuljahr 2008/2009 für Kinder aus Hartz-IV-Familien ein ermäßigtes Schulessen für einen statt zwei Euro anzubieten. Für Schüler, deren Eltern nichts zahlen können, soll es einen Härtefallfonds geben. Wer besonders bedürftig ist, sollen die Schulleiter entscheiden.
Scharfenberg hatte die Zustimmung der Linken zum Haushalt an das kostenlose Schulessen geknüpft. Er versuchte gestern, mit einem neuen Vorschlag zu überzeugen: Statt mit allen 2200 Schülern, die nach offiziellen Angaben aus Hartz-IV-Familien stammen, rechnet die Linke nunmehr mit 1050 Schülern, die bereits ihren Anspruch auf kostenlose Lehrbücher und Lehrmittel geltend machten. Damit würde das kostenlose Essen dieses Jahr 144 900 Euro kosten, argumentierte Scharfenberg – im Vergleich zu 103 500 Euro für die Ermäßigungsvariante der Verwaltung. Für das ganze Jahr 2009 plant Scharfenberg Kosten von 399 000 Euro, die Stadt rechnet mit 285 000 Euro. Es wäre „noch unglaubwürdiger“, sagte Scharfenberg, das kostenlose Schulessen wegen 45 000 Euro in diesem Jahr platzen zu lassen. Doch seine Gegner ließen sich nicht überzeugen. Scharfenberg habe die Kosten schöngerechnet, so SPD-Fraktionschef Mike Schubert. Er brachte einen Antrag ein, wonach die Verwaltung nach Ablauf der Schuljahre 2008/2009 und 2009/2010 das ermäßigte Schulessen evaluieren und wenn nötig verändern muss. Dies fand als sogenannter haushaltsbegleitender Beschluss eine Mehrheit. Als „Brücke“ für die Linke taugte der Vorschlag aber nicht – bereits gestern enthielten sich die vier Linke-Stadtverordneten bei den Haushaltsbeschlüssen.
Bleibt dies am kommenden Mittwoch in der Stadtverordnetenversammlung so – oder gibt es gar Gegenstimmen der Linken – wird es spannend, wie sich die Fraktion Die Andere (2 Stadtverordnete) und das Bürgerbündnis (5 Stadtverordnete) verhalten. Schmieden die drei ein Bündnis, haben sie 25 Stimmen – genauso viele wie SPD, CDU, die Grünen und die Familienpartei. Wird der Haushalt am Mittwoch nicht beschlossen, steht die Stadt unter „vorläufiger Haushaltsführung“. Das heißt, alle neuen Investitionen und freiwilligen Ausgaben würden auf Eis liegen.
Dass die Familienpartei seit der letzten Stadtverordnetensitzung zumindest beim Schulessen mit SPD, CDU und Grünen stimmt, sorgte bei der Linken für Ärger. Die Familienpartei sei käuflich – und nun sei auch der Preis bekannt, hieß es aus der Linken. Zuvor hatte Finanzbeigeordneter Burkhard Exner (SPD) signalisiert, das Geld für zwei Änderungsanträge der Familienpartei vielleicht noch „finden“ zu können. Dabei geht es um 28 000 Euro für „zusätzliche Lehr- und Unterrichtsmittel“ und noch einmal die gleiche Summe für die Gestaltung des Schulhofes der Karl-Foerster-Schule in Bornstedt. Dort hätten die Schüler bereits 28 000 Euro an Spenden gesammelt, betonte Brian Uttig (Familienpartei).
Allerdings gab es auch für die Linke kleine Geschenke des Kämmerers Exner: Weil Potsdam weniger Kassenkredite aufnehmen muss, zahlt die Stadt auch weniger Zinsen als eingeplant. Von dem überschüssigen Geld sollen auf Antrag der Linken 5000 Euro zusätzlich an Bürgerinitiativen gehen, 29 000 Euro mehr bekommen die Sportvereine der Stadt. Durchweg abgelehnt wurden Anträge von den Fraktionen Die Linke, Bürgerbündnis und Die Andere für mehr Schulsozialarbeiter – dies könnte sich aber ändern, wenn die drei Fraktionen sich zusammentun. Ebenfalls durchgefallen ist die Einführung eines kostenlosen Schülertickets, das Die Andere will. Angenommen wurde dagegen ein Antrag von SPD, CDU und Grünen, 20 000 Euro für einen Ortsentwicklungsplan für Kartzow auszugeben.
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