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Links und rechts der Langen Brücke: Gerecht

Henri Kramer betrachtet die Schulessen-Debatte als Teil des Potsdamer Wahlkampfes – und findet die Maximalforderung der Linken überzogen

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Wo Gerechtigkeit beginnt und endet, lässt sich in den unruhigen Tagen des Potsdamer Wahlkampfes exemplarisch am Beispiel des Schulessens diskutieren. Zwei Vorschläge stehen im Raum: Die Linke fordert mit dem Argument der „sozialen Gerechtigkeit“ ein kostenloses Schulessen für alle sozial schwachen Kinder. Als „gerecht“ dürfte aber auch die Stadt ihren Vorschlag ansehen, das Essen für Schüler bedürftiger Eltern für ein statt für zwei Euro auszugeben – und mit einem Härtefallfonds in Notfällen das Essen doch gratis anzubieten. Wer es bekommt, soll an den Schulen entschieden werden, damit auch Kinder von Eltern mit einem Einkommen knapp über Hartz-IV-Niveau von der Regelung profitieren. Linke-Chef Hans-Jürgen Scharfenberg findet den Plan der Stadt nicht gerecht – und droht den städtischen Haushalt zu blockieren, wird sein Vorschlag nicht angenommen.

So ist nun ein erbitterter Streit um Details der „gerechten Lösung“ eines Problems entstanden, bei dem sich eigentlich alle einig sind: Kinderarmut muss bekämpft werden. Die Frage ist nur, mit wie viel Geld. Der Vorschlag der Stadtverwaltung kostet fast 150 000 Euro je Schuljahr, 230 Schüler bekämen so Essen umsonst, 320 erhielten es für einen Euro. Der Vorschlag der Linken ist für mehr als 600 000 Euro je Schuljahr zu haben, bis zu 2200 Kinder sollen profitieren. Noch lässt die Linke dabei offen, woher das Geld kommen soll – und verweist auf steigende Einnahmen im städtischen Haushalt. Für eine Oppositionspartei ist das verständlich, gerade in Wahlkampfzeiten und in dem Wissen, dass der eigene Maximal-Wunsch oft wenig Chance auf Realisierung hat.

Denn würde das Linken-Konzept angenommen, fehlt das angeblich überschüssige Geld an anderer Stelle: Vielleicht in der Jugendarbeit, vielleicht in der Kultur? Denn natürlich wäre es für junge Potsdamer jenseits des Schulspeisungsalters auch „gerecht“, ein neues Kultur-Zentrum in Babelsberg zu erhalten. Und alte Menschen werden „gerechterweise“ mehr Geld für ihre Belange fordern. Das ist die Kunst von Politik: Hilfen für Interessengruppen so auszutarieren, dass sie von anderen nicht als überzogen und „ungerecht“ empfunden werden. Maximalforderungen sind dabei nicht der richtige Weg, auch wenn sie fast völlig ohne Bürokratie zu haben sind. Denn: Leiden wirklich 2200 Potsdamer Schüler Hunger?

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