
© Bundesarchiv, R4606
Von Peer Straube: Gigantomanie von Goebbels’ Gnaden
In den 30er Jahren planten die Nazis den Ausbau des Ufa- Geländes zur größten Filmstadt der Welt
Stand:
Kaum zu glauben, aber es war ein Kämmerer. Heinrich Thiele, zuständig für die Finanzen von Nowawes, hatte hochfliegende Pläne. Man schrieb das Jahr 1937, und die Ufa war damals eines der modernsten Filmstudios der Welt.
Doch Reichspropagandaminister Joseph Goebbels reichte das nicht. Wie in allem anderen, trieb die Nazis auch hier der Größenwahn, die Nummer Eins zu sein. So fielen denn die Träume des Nowaweser Kämmerers beim eitlen Goebbels auf fruchtbaren Boden. Der hatte ohnehin eine neue Filmakademie geplant, Hitler wünschte sich die „Sicherung der Fortentwicklung des Filmwesens ... im Geiste des Nationalsozialismus“. Und so sollte in Babelsberg eine gewaltige Filmstadt entstehen, in Beton gegossene Gigantomanie mit riesigen Plätzen, zahllosen Ateliers, Aufnahme- und Tonstudios, eigenem Bahnhof, Stadthalle, Kinos, Postamt, Geschäften, Wohnungen und Restaurants. Die Filmstadt des Deutschen Reiches wollte man hinklotzen, mit einer durchgehenden Bebauung vom Griebnitzsee bis nach Drewitz.
Die Potsdamer Historikerin Almuth Püschel hat einen Aufsatz darüber verfasst. Ein „Zufallsfund“ sei die Story gewesen, sagt sie heute. Bei der Recherche zu einem anderen Thema stieß sie auf die alten Baupläne. Das Interesse war sofort geweckt. Sie fand es „spannend, wie versucht wurde, durch Umstrukturierung einem Ort eine neue Identität und ein neues Image zu verpassen.“
1938 wurde ein Generalentwurf für die neue Filmstadt öffentlich ausgeschrieben. Zwölf Architekten nahmen teil. Das Preisgericht kürte schließlich Emil Fahrenkamp zum Sieger, der unter anderem bereits das Verwaltungsgebäude der Rheinstahl AG in Berlin entworfen hatte und zahlreiche Preise, etwa für seinen Beitrag zum Ausbau des Reichstags, gewonnen hatte. Alle Entwürfe waren im Herbst 1938 in der Babelsberger Althoff- (heute Goethe-) Schule ausgestellt. Goebbels besichtigte dort am 26. Oktober selbst das Modell des Siegers Fahrenkamp. Doch gegen das millionenschwere Projekt regte sich Widerstand.
Erst am 1. April 1938 hatten sich Nowawes und Neubabelsberg zusammengeschlossen – noch war für die selbstständige Stadt der Landrat in Teltow zuständig. Und der wusch dem Babelsberger Stadtoberhaupt Kurt Benz gründlich den Kopf. Babelsberg solle sich gefälligst, beschied er ungnädig, um „dringendere Aufgaben“ kümmern, etwa die Altstadtsanierung.
Auf der anderen Seite der Havel mischte nunmehr auch der Potsdamer Oberbürgermeister, der stramme NSDAP-Parteigänger Hans Friedrichs, hinter den Kulissen kräftig mit. Die Furcht im Nacken, Babelsberg könne vom aufstrebenden Berlin geschluckt werden, betrieb er die Eingemeindung. Der mächtige Reichsinnenminister Hermann Göring unterstützte ihn dabei. Am 1. April 1939 hatte Friedrichs gewonnen – Babelsberg wurde nach Potsdam eingemeindet. Fahrenkamp war inzwischen am Überarbeiten. Immer neue Wünsche und Forderungen kamen auf den Architekten zu. So wollte Goebbels auch die Reichstheaterakademie nebst Theater und Wohnheim für die Studenten sowie ein Hallenschwimmbad in die Pläne integriert wissen.
Im Zuge der Kriegsvorbereitungen des Regimes wurde schließlich beschlossen, zunächst die „kriegswichtigen“ Bauten zu errichten. So begann 1940 der Bau des repräsentativen DRK-Präsidialgebäudes am Griebnitzsee, das heute die Universität beherbergt. Am Breiten Gestell entstanden die Reichsfilmateliers, die noch heute vom Bundesarchiv genutzt werden. Ebenfalls gebaut wurden die Nachwuchsateliers für die Filmakademie, heute Bestandteil der Babelsberger Filmstudios. Der Rest wurde auf die Zeit nach dem „Endsieg“ verschoben. 1943 legte Fahrenkamp seinen letzten Entwurf vor – nach der Schlacht von Stalingrad hatte die Reichskanzlei jedoch andere Sorgen. Goebbels’ Traum von der größten Filmstadt der Welt war geplatzt. „Der Standort wäre ideal gewesen“, sagt Püschel. Bedauern schwingt dabei jedoch nicht mit. Eine „hochgradig undemokratische Strukturierung des Filmwesens“ wäre die Folge gewesen, hätte man die Pläne umgesetzt. „Filmkultur macht sich nicht an der Größe der Gebäude fest“, sagt Püschel, „sondern an der Qualität der Filme.“
- Hochschulen
- Nationalsozialismus
- Potsdam: Babelsberg
- Potsdam: Drewitz
- Schule
- Schule und Kita in Potsdam
- Theater in Potsdam
- Werder (Havel)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: