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WASSERREICH: Immer der Sonne entgegen

Regenschauer, Wind und Wellen konnten die Stimmung bei der letzten PNN-Kanutour nicht trüben Nach Fahrrad- und Kanutouren folgen nun ab September Fußwanderungen durch Potsdam und Spaziergänge an geheimen Orten

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WASSERREICHRegenschauer, Wind und Wellen konnten die Stimmung bei der letzten PNN-Kanutour nicht trüben Nach Fahrrad- und Kanutouren folgen nun ab September Fußwanderungen durch Potsdam und Spaziergänge an geheimen Orten Von Erhart Hohenstein Immer der Sonne entgegen paddelten auf der mehr als 30 km langen Rundfahrt um die Insel Potsdam die Teilnehmer der vierten und abschließenden PNN-Kanutour. Ob sie sich nun nach sonnenbeschienenen Abschnitten auf dem Templiner See, dem Petzinsee und durch den Wentorfgraben unter wolkenverhangenen Himmel den Wellen des Schwielowsees entgegen stemmten oder auf dem Großen Zernsee von einem heftigen Schauer überrascht wurden, immer sahen sie voraus am Horizont ein Stücken weiß-blauen Himmel. „Schneller, schneller“, hieß es dann, „da vorn scheint die Sonne.“ Als Kapitän des 20er Canadiers gab Sven Lehnert vom Kanu-Club Potsdam den Takt vor: „Eins und zwei und drei “, der von den Paddlern aufgenommen wurde: „Zieh und zieh und zieh“ Dank eines Messgerätes konnten sie sich über achtbare Geschwindigkeiten zwischen 7,3 und 8,7 Stundenkilometern freuen. Der Flachs blühte: „Weicht ein Paddel eigentlich auf, wenn es man es wie mein Vordermann nur badet statt kräftig einsticht“, klang es von hinten. Als bei der Einfahrt in die Wublitz der Himmel vorübergehend etwas aufklarte und ein paar Sonnenstrahlen durchließ, stimmte Beate Heinecke, die zum erstenmal dabei war, ein Lied an: „Jetzt fahrn wir übern See, übern See Und als wir drüben waren, da sangen alle Vöglein, der helle Tag brach an.“ Das war ein wenig zu optimistisch gesehen, aber die regenverhangenen Ufer ließen doch die urwüchsige Schönheit des Naturschutzgebietes erkennen, mit seinen Bruchwaldstreifen, Schilfgürteln und Seerosenteppichen, die einer artenreichen Vogelwelt Lebensraum bieten. Erschreckt zogen die Angler, die angesichts des Regenwetters wohl nicht mit Paddelbooten rechneten, ihre Fangruten ein. Die Hoffnung, wie 1980 einen 1,92 m langen und 50 kg schweren Wels aus dem Wublitzsee zu ziehen, mussten sie diesmal begraben. Schon vor der Einfahrt in den Großen Zernsee hatte der Guide den Paddlern den Geltower Ortsteil Wildpark-West vorgestellt. Ab 1934 wurde sie auf der eiszeitlichen Sandscholle Gallin angelegt. 1972 - 1974 erhielt sie die Siedlung Im Birkengrund hinzu, deren Eigenheime für die hohen Offiziere des Kommandos Landstreitkräfte der NVA bestimmt waren. Allen voran ihr Chef Horst Stechbarth. Der Landarbeitersohn und Unteroffizier der Wehrmacht war bis zum stellvertretenden Verteidigungsminister der DDR aufgestiegen. Noch heute findet man Namen der pensionierten Generale an den Türschildern. Am Ostufer des Zernsees ließen Regenvorhang und Gebüsch Gut Schloss Golm nur erahnen. Es ist allerdings weder Gut noch Schloss, sondern die einstige Villa von Frank Enkelmann, der im Golm durch bis zu 2600 (!) Beschäftige bis zum Ersten Weltkrieg Flugzeuge und danach Eisenbahnwaggons bauen ließ. Ab 1929 wandelt seine Lebensgefährtin Niuta von dem Bottlenberg die Villa in ein Kurhaus mit Restaurant um, wo UFA-Größen wie Marlene Dietrich, Marika Rökk oder Harry Piel verkehrten. Ihren Platz haben heute u. a. Franka Potente, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Alfred Biolek eingenommen, denn Niutas Nachfahrinnen Swetlana und Cora von dem Bottlenberg haben die noble Gaststättentradition wieder aufgenommen. Die Paddler versuchten sich auszumalen, wie die Uferzone aussehen wird, wenn hier ab 2007 tatsächlich das auf 26 500 Quadratmetern geplante „Zentrum für ganzheitliches Wohlbefinden“ gebaut wird. Auf dem Weg zum Schlänitzsee umfuhren sie die Halbinsel Nattwerder, auf der der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm ab 1685 Schweizer Einwanderer. 14 Familien kamen damals aus Bern, und noch heute erinnern Namen ihrer Nachfahren an diese Herkunft. Inzwischen steuerten die durch Regenumhänge geschützten, aber dennoch weidlich durchfeuchteten Abenteurer den kleinen Hafen des Gruber Ortsteils Schlänitzsee an, der sich aus einer nach dem Ersten Weltkrieg angelegten Anglerkolonie entwickelt hat. Hier war Zeit, Arme und Beine auszuschütteln und darauf zu hoffen, dass die Hosenbeine trockneten. Der Verpflegungswagen wartete schon. Wenig später traf auch das von Ole Bemmann geführte Motorboot ein. Es hatte Teilnehmer an Bord genommen, die sich das mehrstündige Paddeln nicht zutrauten. Während des Imbisses erzählte der PNN-Guide eine fast unglaubliche Anekdote. Selbst auf jüngsten Stadtplänen ist wenige hundert Meter östlich der Siedlung Schlänitzsee eine zweite mit Namen Schlänitze eingezeichnet. Doch die gibt es nicht. Vielmehr fügte vor gut einem Vierteljahrhundert ein Kartograph Teilblätter falsch zusammen, so dass die Siedlung zweimal auftauchte - einmal als Schlänitzsee, einmal als Schlänitze. Die Stadtbürokratie hält eisern an diesem Fehler fest: Eine hier gelegene Kleingartensparte musste sich unter der Ortsangabe des nicht existierenden Schlänitze ins Vereinsregister eintragen lassen. Nicht nur wegen dieser Anekdote stiegen die Paddler gut gelaunt zurück in den Canadier. Durch Sacrower Kanal und Weißen See wurde er vom Motorboot geschleppt. Ole Bemmann, der mit seiner Agentur „floating noise“ die Kanutouren begleitete, bewies sein seemännisches Können, als der Versuch mit einer Schleppleine unbefriedigend ausfiel. Der erfahrene Segler, der bereits an der „Nord Atlantic Challenge“ teilgenommen hat, befestigte das Kanu seitlich am Motorboot, und das merkwürdige Doppelgefährt passierte den Kanal. Als die Fahrensleute auf dem Jungfernsee wieder zum Paddeln griffen, lag noch eine Stunde Muskelarbeit zurück zum Kanu-Club an der Zeppelinstraße vor ihnen. Die zwar anstrengenden, aber wunderschönen Touren werden ihnen in guter Erinnerung bleiben, versicherten sie beim Abschied. Und: Werden die PNN im nächsten Jahr wieder dazu einladen? Pünktlich zur Stelle war Wolfgang Altmann mit seinem Verpflegungswagen, als die durchfeuchteten Kanufahrer an der Siedlung Schlänitzsee anlegten. Jeder ließ sich nach 18 anstrengenden Kilometer die Knacker oder die Bockwurst schmecken, um gestärkt auf die Reststrecke zu gehen. Schickte in der ersten Tageshälfte die Sonne ab und zu noch ein paar wärmende Strahlen, setzte am Nachmitttag anhaltender Regen ein. Dafür hatten die Tourteilnehmer in kluger Voraussicht schützende Kleidung und viel Humor mitgebracht. Manchmal war auch ein Lappen nötig, um die Paddelsitze und den Bootsrand trocken zu wischen. (eh)

Erhart Hohenstein

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