zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Keine Angst vorm Striptease

Der Kleidertausch im Frauenzentrum wird zum Riesenspaß

Stand:

Kleidertausch im Autonomen Frauenzentrum. Ich habe keine Ahnung, was als tauschwürdig eingestuft werden könnte und packe einfach etwas zusammen, was ich schon einige Zeit nicht mehr angezogen habe. Kurz vor 20 Uhr sind die unteren Räume im Frauenzentrum am Luisenplatz hell erleuchtet, auf dem Tisch ist ein kleiner Imbiss mit Brot, Aufstrich und Rohkost arrangiert. Wasser, Säfte und Wein werden als Getränk angeboten. Wer mitmachen will, zahlt drei Euro und die konsumierten Getränke. Zwei Frauen sitzen auf dem Sofa und unterhalten sich leise, eine andere hat abseits erst einmal einen Stuhl okkupiert. Ausgepackt ist noch nichts. Anna Brömsel vom Frauenzentrum ist sicher, dass es noch hoch hergehen wird, das letzte Mal hätte die Party bis kurz vor Mitternacht gedauert und alle seien zufrieden nach Hause gegangen.

Vorerst ist davon noch nichts zu spüren. Doch dann erscheinen die ersten Tauschgeübten und packen aus: Pullover, Blusen, Röcke, einen Netzpulli, den Mama selbst gehäkelt hat, sogar Tischdecken sind im Angebot und ein Teil, orangefarben, das man irgendwie drüberzieht und das Ähnlichkeit mit einem Kleidchen hat. Dieses seltsame Ding hat es den Frauen sofort angetan. Es wird wieder und wieder probiert, aber dann doch schließlich beiseite gelegt. Ich hatte auf sportlich zeitlos als gute Tauschbasis getippt, stelle aber fest, das die eher verrückten Sachen am schnellsten weggehen. Die Regel ist „Gibst du mir – geb ich dir“, aber wenn das aus Sortimentsgründen nicht klappt, wird auch einiges per Ringtausch perfekt gemacht oder verschenkt oder für einen kleinen Obolus weitergegeben. Angeboten werden meist hochwertige Stücke. Was keinen Abnehmer findet, wird wieder eingepackt.

Mütter haben ihre Töchter mitgebracht. Oder umgekehrt? Tauscherfahrene ihre noch unbeleckten Freundinnen. Ich verbinde das Dienstliche mit dem Spaß und auch ich ergattere ein Objekt meiner Begierde. Allen macht die Wühlerei im Mitgebrachten Spaß und die Beratung ist geradezu perfekt, denn niemand will hier jemand anderem etwas aufschwatzen. Es ergeben sich bei der Anprobe erstaunliche Kombinationen. Vorerst stört der Fotograf noch und die Damen ziehen züchtig ein Teil über das andere, doch als der einzige Mann in der Frauengesellschaft sich schließlich trollt, gibt es kein Halten mehr. Um ein Sommerblüschen anzuprobieren werden die winterlichen Hüllen fallen gelassen. Für eine mitgebrachte Strumpfhose muss man natürlich aus den Stiefeln und der Jeans schlüpfen und eine Cordhose, die wegen meiner Speckröllchen kneift, sitzt bei der neuen Besitzerin perfekt. Bald weiß niemand mehr so genau, wer was mitgebracht hat. Also wird nachgefragt und schon kommen die Gespräche in Gang. Es geht nämlich nicht nur um den Kleidertausch, auch wenn die meisten schließlich etwas getauscht haben. Es geht ums Gespräch, ums Miteinander, um die kleinen – und wenn man sich besser kennen gelernt hat, auch größeren – Sorgen des Alltags. „Wir machen den Kleidertausch öfter“, sagt Anna Brömsel, „und immer mit Erfolg.“

Zu vorgerückter Stunde gibt es dann noch einen „Ausflug“ in die obere Etage. Eine Boutique spendet regelmäßig hochwertige Garderobe, die dann – zum Beispiel um den Frauentag herum – zu kleinen Preisen verkauft wird. Das Geld kann das nicht eben üppig durch städtische Mittel gestützte Autonome Frauenzentrum gut gebrauchen, denn schließlich geht es nicht immer so fröhlich und gelöst zu wie beim Kleidertausch. Es wird ganz ernsthafte Arbeit mit Frauengruppen im sozialen und kulturellen Bereich und beim Mädchentreff Zimtzicken geleistet.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })