Landeshauptstadt: „Literatur ist eine fröhliche Nische“
Hendrik Röder über Lesungen in Brandenburg und die Schwierigkeiten bei Literaturausstellungen
Stand:
Am Freitag liest Eric-Emmanuel Schmitt auf Einladung des Brandenburgischen Literaturbüros in Potsdam. Was hat ausgerechnet ein französischer Autor mit dem Brandenburgischen Literaturbüro zu tun?
Unser Ziel ist es, Literatur in Brandenburg zu präsentieren und dabei nicht ausschließlich brandenburgische. Die Reihe, die wir zusammen mit der Druckerei Rüss und dem Literaturladen Wist bestreiten, stellt wichtige europäische Erzähler in Potsdam vor.
Aber bei dem Namen Brandenburgisches Literaturbüro liegt es doch nahe, einen Fokus auf Autoren aus Brandenburg oder auf die Literaturgeschichte aus Brandenburg zu erwarten?
Der Name bezieht sich auf den Ort unseres Tuns. Der Schwerpunkt ist gute Literatur, woher sie auch kommt. Sie muss über das Regionale hinausstrahlen. Brandenburger Autoren wie Lutz Seiler, Julia Schoch, Antje Strubel, Helga Schütz laden wir regelmäßig zu Lesungen im Land ein. Hinzu kommt der literaturhistorische Teil, den unser Kollege Peter Walther betreut. Das reicht von der wohl größten literarischen Datenbank einer deutschen Region, die man auf der Internetseite literaturport.de benutzen kann und die mittlerweile täglich rund 25 000 Zugriffe zählt, bis hin zu Ausstellungen über Autoren wie Günter Eich, Huchel und Goethe.
Vor kurzem las auch Günter de Bruyn im Hans Otto Theater.
Ja, Günter de Bruyn füllte zu seiner Überraschung das neue Theater. Ein bescheidener, sehr zurückhaltender Autor, dem jeder Rummel um seine Person fremd ist. Sein Buch „Als Poesie gut“ ist ganz nebenher die Enzyklopädie der Kunstepoche nach Friedrichs Tod geworden – ein wunderbares Buch. Er ist sicher der erfolgreichste Autor in Brandenburg.
Was war der Ausgangspunkt beziehungsweise wie entstand die Idee zu einem Literaturbüro in Brandenburg?
Es gab im Jahr 1993 im Kulturministerium die Überlegung, ein Literaturbüro zu schaffen, das mobil agiert. Zu den Mitbegründerinnen gehörte die Potsdamer Autorin Sigrid Grabner. Große Städte wie Berlin, München oder Stuttgart leisten sich ein oder mehrere Literaturhäuser. Aber für so ein kleines Flächenland wie Brandenburg wäre das nicht sinnvoll gewesen, wo man mit dem Literarischen Colloquium am Wannsee, dem wohl besten Literaturhaus in Berlin, einen Konkurrenten in direkter Nachbarschaft hätte. Insofern wurde an ein mobiles Büro gedacht, das als Veranstalter an verschiedenen Orten im Land auftritt.
Der Sitz also in Potsdam, die Veranstaltungsreihen aber in ganz Brandenburg?
Genau. Wobei Potsdam für uns der Schwerpunkt bleibt.
Warum?
Weil in Potsdam die meisten Menschen leben und es attraktive Leseorte gibt. Da sind ja ideale Kooperationen möglich, die sich hier auftun: die Schlösserstiftung, das HOT, der Literaturladen Wist, das Filmmuseum oder der Nikolaisaal.
Wo ist das Brandenburgische Literaturbüro dann neben Potsdam noch im Land aktiv?
Wir sind relativ gut in der Lausitz, der Prignitz und im Landkreis Ost-Prignitz-Ruppin präsent.
Organisiert das Literaturbüro diese Lesungen allein?
Wir bevorzugen Orte, wo wir uns quasi nicht aufdrängen müssen und auf engagierte Partner treffen. Solche finden wir etwa in Luckenwalde, Wittenberge, Zossen, Premnitz und Lübbenau.
Obwohl viele Veranstaltungen des Brandenburgischen Literaturbüros in Potsdam stattfinden, gibt es keine Unterstützung durch die Stadtverwaltung?
Wir haben es mehrfach versucht, aber nur selten kamen wir in die Gunst der Kulturverwaltung. Auch für die Lesung von Eric-Emmanuel Schmitt haben wir es vergeblich versucht. Ich finde das schon merkwürdig.
Hat das Brandenburgische Literaturbüro Probleme mit der Finanzierung?
Wir können nicht klagen. Der Literatur, da erzähle ich nichts Neues, geht es wie der Bildenden Kunst. Sie spielt keine große Rolle im Kulturgeschäft des Landes. Aber es ist eine fröhliche Nische. Wir werden nach wie vor treu vom Kulturministerium gefördert. Dafür sind wir dankbar. Auf der anderen Seite ist es schwierig, private Gelder für Lesungen zu akquirieren. Daher versuchen wir, über Stiftungen ergänzende Mittel einzuwerben.
Wie viele Veranstaltungen im Jahr werden von Ihnen organisiert?
Rund 60 Lesungen und alle zwei Jahre eine Literaturausstellung wie im vergangenen Jahr „Goethe und die Mark Brandenburg“ in den Römischen Bädern, die jetzt in Finsterwalde und anschließend in Rheinsberg zu sehen sein wird. Hinzu kommen begleitende literaturhistorische Publikationen, deren Einnahmen dem Etat des Büros zugute kommen.
Eine Ausstellung über Goethe und die Mark Brandenburg. Gibt es da überhaupt genug Verbindungen?
Bei Goethes kurzem Aufenthalt 1778 in Brandenburg vermutet man nur wenige Bezüge. Aber bei Goethe ist das Wenige schon das Ganze. Einerseits die Reserve gegenüber Preußen und andererseits seine Narrenliebe zu Friedrich dem Großen. Ganz abgesehen davon bot Goethe immer eine Projektionsfläche für Autoren in Berlin und Brandenburg. Das belegen die zahlreichen Briefe. Nehmen wir nur den herrlichen Briefwechsel mit Zelter, in dem er Goethe über die Berliner Zustände auf dem Laufenden hält (Carl Friedrich Zelter lebte in Petzow und hat unter anderem 1820 das königliche Institut für Kirchenmusik in Berlin gegründet. Anm.d.Red.). Unabhängig davon haben es Literaturausstellungen immer schwer.
Das heißt konkret?
Da ist die Frage, was soll man zeigen? Es gibt Manuskripte, Briefe oder Alltagsgegenstände. Und die Herausforderung besteht immer wieder darin, diese meist unspektakulären Dinge zum Leuchten zu bringen.
Wie sieht die Arbeitsteilung im Literaturbüro aus?
Wir arbeiten zu dritt. Meine Kollegin Katarzyna Kaminska und ich betreuen sozusagen den lebenden Betrieb und unser Kollege Peter Walther den historischen Teil.
Wer besucht die Veranstaltungen des Literaturbüros?
Die Generation 40 plus. Wir merken, dass es schon schwieriger ist, jüngere Menschen wie Schüler und Studenten für Lesungen zu gewinnen. Bei dieser Altersgruppe steht das Sichselbstausprobieren im Vordergrund. Man publiziert selbst, besucht Schreibwerkstätten und bildet eine eigene Szene wie die zahlreichen Slam Poetry-Veranstaltungen zeigen.
Welche Höhepunkte hat das Brandenburgische Literaturbüro für dieses Jahr noch zu bieten?
Mit Wolf Biermann hatten wir vor zwei Wochen schon einen. Wir freuen uns natürlich auf Eric-Emmanuel Schmitt, der ja neben Paulo Coelho und Steven King einer der erfolgreichsten Autoren weltweit ist. Dann liegt mir die Lesung mit dem 94-jährigen Gad Granach aus Jerusalem sehr am Herzen, die wir im Juni in Luckenwalde veranstalten wollen.
Der Sohn des großen Berliner Schauspielers Alexander Granach?
Ja. Gad Granach ist 1936 aus Berlin nach Israel ausgewandert und gehört zur Gründungsgeneration des Staates. Mit Charme und Witz erzählt er in seinem Buch „Heimatlos!“ über seine Kindheit in der Weimarer Republik – als ob es gestern war. Dann kommt Anfang Juni Swetlana Geier aus Freiburg nach Potsdam, die große Dostojewskij-Übersetzerin.
Und im Herbst erfolgt der Umzug in die Villa Quandt, unterhalb des Pfingstberges. Dann ist das Brandenburgische Literaturbüro räumlich endlich angekommen?
Eine einmalige Chance sowohl für das Fontane-Archiv als auch für uns. Viel wichtiger als das Büro sind die schönen Veranstaltungsräume, die das Haus der Schlösserstiftung bieten wird. Wir hoffen sehr, dass die Potsdamer die Villa Quandt als neuen Standort für die Literatur annehmen werden. Und das schöne ist, man kann alles mit einem schönen Spaziergang durch das Pfingstbergareal umkränzen.
Das Gespräch führte Dirk Becker
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