
© Manfred Thomas
Von Peer Straube: Machen, essen, einkaufen
Das neue Marketingkonzept für die Schiffbauergasse empfiehlt radikale Neuerungen
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Berliner Vorstadt - Do, eat, buy. Alles klar? Nein? Also nochmal auf Deutsch: Machen, essen, kaufen – oder schlicht: mehr Freizeitangebote und Aufenthaltsqualität, ein massiver Ausbau der Gastronomie und neue Künstlerateliers mit Vor-Ort-Verkauf. Dazu jährlich drei bis fünf „Mega-Events“. Das sind, sehr verknappt, die Kerngedanken des neuen Marketingkonzepts für die Schiffbauergasse, das den vor sich hintröpfelnden Besucherstrom anschwellen lassen soll – und zwar möglichst Tag und Nacht.
Gestern stellte die Kölner Beratungsgesellschaft AWC AG beim 4. Potsdamer MarketingTag in der fabrik das mit Spannung erwartete Papier vor. Ein halbes Jahr hat AWC daran gefeilt, Befragungen durchgeführt, Marktanalysen erstellt. Das Ergebnis: Ein „unglaublich schöner Ort mit wunderbarer Architektur, doch mit mangelnder Besucherfrequenz und Aufenthaltsqualität“, resümierte AWC-Mitarbeiterin Uta Ramme.
Um dies zu ändern, wurden radikale Gedanken entwickelt. „Unabdingbar“ sei etwa ein „Welcome-Center“, wolle man Tagestouristen aufs für 100 Millionen Euro sanierte Areal locken. Ein Kiosk für die schnelle Wurst gehört ebenso dazu wie ein Souvenir-Shop und eine öffentliche Toilette. Dafür müssten die restlichen vorhandenen Baupotenziale beim Waschhaus sowie neben der Waschhaus-Arena erschlossen werden. Auch temporäre Bauten wie optisch interessant gestaltete Container seien möglich, sagte Ramme und zeigte Fotos mit putzigen Beispielen in Kaugummi- oder Kuscheltierform. Wöchentliche regionale Veranstaltungen und Märkte sollen Ausflügler aus dem Umland locken. Um den Standort überregional populär zu machen, müssten die bereits erwähnten Mega-Events als Marken etabliert werden. Hier schlägt AWC vor, zu klotzen statt zu kleckern und zog Beispiele aus London, Paris, Edinburgh und München zum Vergleich heran. „Außergewöhnliche Märkte“ wie der Camden Town Market in der britischen Hauptstadt lockten durch Angebot und schöne Lage wöchentlich 500 000 Besucher, schwärmte Ramme. Der Pariser Kunstmarkt Creation Bastille dürfe ebenso als Vorbild gelten wie das bajuwarische Tollwood Festival, das zweimal jährlich an 25 Tagen insgesamt anderthalb Millionen Besucher zähle, oder das größte Kleinkunstfestival der Welt, „Fringe“, in Edinburgh. Geeignete Flächen gebe es mit dem Schirrhof und dem Veranstaltungsplatz mit seiner Bühne. Mehr Stege, neue Bänke zum Sitzen, eine Wasserbühne, Indoor-Spielflächen, ein Hostel gehören zu den weiteren Empfehlungen des Kölner Unternehmens. Koordinieren soll das Ganze ein zentrales Facility- und Standortmarketing-Management, das die Stadt per Ausschreibung suchen soll.
In einem vom ehemaligen CDU-Stadtverordneten und heutigen Chef des Marketingclubs, Götz Th. Friederich geleiteten Workshop wurde schnell deutlich, das manchem die Kölner Marschroute womöglich doch etwas zu innovativ erscheint. Birgit-Katharine Seemann, Fachbereichsleiterin Kultur und Museum, sprach freundlich davon, dass „sich schon was ändern“ müsse, zeigte aber auch gleich die Grenzen auf. Man wolle keinen „Plastikzoo mit Streichelcharakter“ á la Walt Disney. Stattdessen müsse wieder eine Art „gepflegte Anarchie“ in die Schiffbauergasse Einzug halten. Disney-World will auch fabrik-Chefin Sabine Chwalisz nicht, erwärmte sich aber für die Event-Idee. Einmal pro Jahr ein Open-Air-Theaterfest mit Performances, Kleinkunst und Zirkusdarbietungen – so etwas gebe es in Deutschland noch nicht.
Handlungsbedarf sahen auch die Gewerbetreibenden von Oracle und dem VW-Designcenter. Für letzteres bilanzierte Uli Mix, nach der „sterilen“ Sanierung des Geländes sei „viel Flair verlorengegangen“. Die Schiffbauergasse als Dachmarke zu vermarkten, sei schwierig – die aufgestellten Hinweisschilder und Wegweiser versprühten allenfalls den Charme eines Gewerbegebiets. Hier müsse sensibler agiert werden und mal „der Blick durch die Kundenbrille“ getan. Festivals durchzuführen, sei daher eine „tolle Idee“. Oracle-Kollege Hannes Häfele wünschte sich tagsüber mehr Angebote, die zum Verweilen einladen.
Was am Ende vom Kölner Konzept übrig bleibt, wird sich zeigen, wenn sich die Stadtverordneten damit auseinandergesetzt haben. „Hoffentlich“, so ein Teilnehmer hinter vorgehaltener Hand, „wird es da nicht zerpflückt.“
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