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Blick in einer Zelle des ehemaligen russischen Geheimdienstgefängnisses in der Leistikowstraße.

© Andreas Klaer

Von Erhart Hohenstein: Mahnwache vor KGB-Gefängnis

Ehemalige Häftlinge wenden sich gegen Museumskonzept der Gedenkstättenstiftung

Stand:

Berliner Vorstadt - Eine Zeitzeugeninitiative Ehemaliges KGB-Gefängnis Leistikowstraße hat alle noch lebenden ehemaligen Häftlinge und Mitstreiter zu Mahnwachen vor der Gedenkstätte am Pfingstberg aufgerufen. Sie sollen am morgigen Donnerstag, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, um 11 Uhr beginnen und am Sonnabend und Sonntag jeweils um 10.30 Uhr fortgesetzt werden. Der Aufruf trägt die Unterschriften von Bodo Platt, einem der KGB-Opfer, und dem Berliner Publizisten Dirk Jungnickel als Sprecher der Initiative. Beigefügt ist die Abbildung von 25 Personen, die die unmenschlichen Haftbedingungen in Potsdam und die mehrjährige Zwangsarbeit im sibirischen Straflager Workuta überlebt haben. Dazu zählen die Potsdamer Hermann Schlüter und Peter Seele.

Mit der Mahnwache solle deutlich gemacht werden, dass diese Opfer stalinistischen Nachkriegsterrors „die Ignoranz und Arroganz des Prof. Günter Morsch“, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, und der Potsdamer Gedenkstättenleiterin Ines Reich „nicht mehr hinzunehmen bereit“ sind. „In der (zurzeit nicht als solche erkenntlichen) Gedenkstätte sollen - wie analog in Sachsenhausen über viele Jahre praktiziert - die ermordeten oder zu unmenschlichen Straflagerstrafen verurteilten zumeist jugendlichen Deutschen nur eine untergeordnete Rolle spielen“, heißt es in dem Aufruf. Die „vormals gut angenommene Gedenkstätte“ solle nunmehr von Morsch und Reich in ein Museum umfunktioniert werden, das die Gesamtgeschichte des Hauses bis in die 90er Jahre thematisiert. Dies sei absurd, erklären die Opfer: „Wichtig sind uns natürlich vor allem die Jahre 1945 bis 1953, die Jahre, in denen wir dort gelitten haben.“

In einem Gespräch zum kritischen PNN-Artikel „Gedenkstätte im Halbschlaf“ (05.11.09) hatten Pressesprecher Horst Seferens und Reich an der Konzeption der Stiftung festgehalten. Danach sollen die auf die Wochenenden eingegrenzten Öffnungszeiten bis zur Fertigstellung einer neuen Dauerausstellung im Jahre 2011 nicht erweitert werden. Bis dahin seien auch Zeitzeugengespräche, Lesungen, Buchverkauf u. ä. nicht möglich. Abgelehnt wurde ebenso der zeitweilige Wiederaufbau der von der Opfervereinigung „Memorial“ erarbeiteten Ausstellung „Von Potsdam nach Workuta“. Ehemalige Häftlinge wie Bodo Platt oder der Marburger Universitätsprofessor Hans Günter Aurich hatten in Briefen an die PNN diese Konzeption kritisiert und beklagt, dass die Gedenkstättenleitung keinen Kontakt zu ihnen halte. Über Ausgrenzung klagen ebenfalls Memorial und der von dem Zeithistoriker Hubertus Knabe geleitete Förderverein, die die Gedenkstätte über fast ein Jahrzehnt ehrenamtlich betrieben hatten. Dazu erklärte Sprecher Seferens, nach Übernahme der Einrichtung durch die brandenburgische Gedenkstättenstiftung seien die Ehrenamtler als Förderer weiterhin willkommen - Mitspracherechte besäßen sie jedoch nicht mehr.

Mit den Mahnwachen, erklärte Dirk Jungnickel, wollten die Opfer ein bisher verweigertes Gespräch mit der Gedenkstättenleitung erreichen. Weiter hofften sie, dass sich die neue Kulturministerin Martina Münch (SPD) einschaltet - auch wenn die rot-rote Landesregierung derzeit durch andere Probleme belastet sei.

Erhart Hohenstein

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