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Von Guido Berg und Henri Kramer: Pakt gegen Überraschungen

SPD- und FDP-Vorstand für bürgerliche Großkoalition / CDU entscheidet auf Kreisparteitag

Stand:

Noch ist die Kooperationsvereinbarung für eine Großkoalition jenseits der Linken nicht von allen Partnern beschlossen. Doch sind gestern erste Einzelheiten des neunseitigen Papiers bekannt geworden, in dem die Grundsätze stehen, auf die sich die Spitzen von SPD, CDU, Aktionsbündnis Nord-West, Grüne, FDP und Familienpartei geeinigt haben.

Demnach planen die Partner ein neues politisches Gremium, dass vor Sitzungen des Stadtparlaments im kleinen Kreis der Fraktionsoberen tagen wird – „gerade bei kniffeligen Fragen“, wie es hieß. Doch einen faktischen Koalitionszwang, wie im Bundestag mit dem eigenen Lager zu stimmen, soll es nicht geben. „Es wird keinen großen Knatsch geben, wenn einer der Partner in einer Sachfrage einmal gegen uns stimmt“, sagte ein hochrangiges Mitglied der neuen Beinahe-Koalition.

Die Einigung hatte offenbar vor allem die SPD vorangetrieben, die bei den Kommunalwahlen 15 Sitze in der Stadtverordnetenversammlung erreichte. Die Linke erhielt 17. Das neue Bündnis kommt zusammen mit Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) auf 34 von 57 Stimmen.

Die Sozialdemokraten wollen mit der für das Potsdamer Stadtparlament bisher völlig neuen Form der Zusammenarbeit ähnliche Überraschungen wie in der Vergangenheit vermeiden. So waren vor anderthalb Jahren zwei Abstimmungen um den Landtagsneubau in geheimer Abstimmung gescheitert. In diesem Jahr hatte Jakobs zur Ablehnung des Haushalts aufgerufen, weil die Fraktion Die Linke zuvor bei einem Antrag auf kostenloses Schulessen überraschend gewonnen hatte. „In zentralen Fragen wollen wir ab jetzt stabile Verhältnisse“, sagte gestern Potsdams SPD-Chef Mike Schubert.

Dafür soll das Kooperationspapier den Rahmen bilden. Ein Punkt darin soll etwa ein Bekenntnis für freie Kultur in verschiedenen Räumen und zum Erhalt aller soziokultureller Veranstaltungshäuser sein. Ebenso hieß es aus dem Umfeld der neuen Konstellation, dass auf eine „Stummel“-Ises vorerst verzichtet werde – die SPD hatte sich im Wahlkampf für diese verkürzte Variante einer möglichen innerstädtischen Umgehungsstraße eingesetzt. Weiterer Schwerpunkt sei die Umsetzung des Radwegekonzepts.

In einer ersten Reaktion auf das neue Bündnis hatte Potsdams Linke-Chef Hans-Jürgen Scharfenberg gestern von der „Ausgrenzung“ seiner Partei gesprochen. Schubert sagte gestern dazu, dies sei nicht Ziel, es habe in der Vergangenheit mehrmals die Möglichkeit zur Zusammenarbeit gegeben. Doch immer dann habe Scharfenberg die „Konfrontation“ gesucht: „Er muss nun die veränderten Mehrheiten zur Kenntnis nehmen.“

In der kommenden Woche soll die Vereinbarung öffentlich werden. Zuvor müssen einzelne Partner abstimmen. Sowohl bei den Grünen und Familienpartei galt das Ja-Wort intern gestern als sicher, der FDP- und der SPD-Vorstand haben sich bereits dafür entschieden.

Die Zustimmung der Potsdamer CDU hängt von einem Kreisparteitag am 25. November ab. Zwar handele es sich nicht um einen Koalitionsvertrag, der einen Parteitag nötig mache. Doch wegen der „Qualität der Zusammenarbeit“ finde sie es richtig, die Kooperationspläne in der Partei „breit zu diskutieren“, erklärte gestern Potsdams CDU-Chefin Katherina Reiche. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass sich CDU-Positionen in dem „Bündnis auf Zeit“ wiederfinden lassen. So gebe es einen Schwerpunkt auf die Haushaltskonsolidierung, „die immer ein CDU-Thema war“. Ebenso bediene die Koalitionsvereinbarung Politikfelder, „in der die CDU immer Druck gemacht hat“. Als Beispiel nannte sie die Turnhallensanierung und die ausreichende Versorgung aller Stadtteile mit Schulen und Kitas.

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