
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Potsdam kein „vergangenheitspolitisches Nirvana“
Stasi-Behörde kooperiert mit Stadt und unterstützt die Arbeit der Gedenkstätte „Lindenstraße 54/55“
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Innenstadt - Fünf Monate nach Schließung der Potsdamer Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde verstärkt die Bundesbehörde jetzt ihre Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten Behördenchefin Marianne Birthler und Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) gestern in der Gedenkstätte „Lindenstraße 54/55“. Die Stadt stellt demnach kostenlos Räume für Bürgerberatungen, eine Ausstellung und Veranstaltungen zur Verfügung. Außerdem verpflichtet sich die Birthlerbehörde zur Unterstützung der Schüler-Projektarbeit, die Gedenkstättenlehrerin Catrin Eich seit 2002 in der Lindenstraße anbietet.
Jakobs begrüßte die neue Kooperationsvereinbarung, drückte aber gleichzeitig sein Bedauern über den Wegzug der Behörde aus. Mit dem neuen Vertrag sei sichergestellt, „dass ein wichtiges Stück Arbeit fortgesetzt werden kann“.
Auch Gedenkstättenlehrerin Catrin Eich begrüßte den Vertrag: Die Unterstützung der Stasi-Unterlagen-Behörde für ihre Arbeit sei nach dem Wegzug aus Potsdam „erstmal weggebrochen“. Gleichzeitig sei das Interesse an Schülerprojekten in den vergangenen sieben Jahren gestiegen, bilanziert Eich: 2008 habe es 103 Projekttage und 92 Zeitzeugengespräche gegeben.
Befürchtungen, die Aufarbeitung der Diktatur hätte durch den Wegzug der Behörde aus Potsdam Schaden genommen, trat Marianne Birthler gestern entgegen: „Ich bin nicht der Meinung, dass das Land Brandenburg und die Landeshauptstadt vergangenheitspolitisches Nirvana sind“, sagte sie. Birthler verwies unter anderem auf das bundesweite Echo auf das Theaterstück „Staatssicherheiten“ am Hans Otto Theater und auf die Ende März gestarteten Bürgerberatungen, auf die es nach ihren Angaben „gute Resonanz“ gebe. Die Beratung findet derzeit an jedem zweiten und vierten Dienstag des Monats von 10 bis 18 Uhr im Alten Rathaus statt, der nächste Termin ist der 26. Mai.
Die Gedenkstätte in der Lindenstraße, in der vor der Stasi auch der russische Geheimdienst und die Nazis Gericht hielten, ist momentan Baustelle: Die Fertigstellung geschehe „scheibchenweise“, sagte Hannes Wittenberg, Leiter des Potsdam Museums. Am 1. Juli werde der Veranstaltungssaal übergeben, die Ausstellung der Birthler-Behörde ist am 4. Dezember geplant.
Birthler begrüßte gestern außerdem die Diskussion um einen Stasi-Beauftragten für Brandenburg. Für die Schaffung dieses Amtes sei es auch 20 Jahre nach Mauerfall nicht zu spät, betonte sie: „20 Jahre sind für die Aufarbeitung einer Diktatur sehr wenig Zeit, da kommt noch viel auf uns zu.“ Jana Haase
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Jana HaaseD
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