Landtagsneubau: Potsdam verliert Bodenhaftung Von Thorsten Metzner
Diese Geschichte hat schon viele Irrungen und Wirrungen: Der Aufbau des Potsdamer Stadtschlosses. Seit 16 Jahren wird darüber gestritten, philosophiert.
Stand:
Diese Geschichte hat schon viele Irrungen und Wirrungen: Der Aufbau des Potsdamer Stadtschlosses. Seit 16 Jahren wird darüber gestritten, philosophiert. Schon oft wurde gejubelt, zu früh. Der Alte Markt, auf dem einst das Knobelsdorffsche Königsschloss stand, in dem Preußens Toleranzedikt unterzeichnet wurde, blieb Ödland, eine öffentliche Anklage. Viele hatten die Hoffnung aufgegeben, dass die historische Mitte Potsdams wie in Dresden endlich geheilt wird. Anno 2006, Ende gut, alles gut?
Es wäre ein Wunder. Und es könnte wahr werden – anders als in Berlin, wo nach dem Karlsruher Spruch der Aufbau des Schlosses in noch weitere Ferne gerückt ist. Die Stadtverordneten werden am Mittwoch den wichtigsten Bebauungsplan seit dem Fall der Mauer beschließen: Auf dem Alten Markt soll der neue Landtag gebaut werden. Ein modernes Parlamentsgebäude, das jedoch äußerlich, so weit es eben möglich ist und bezahlt werden kann, auch so aussehen soll wie das berühmte Knobelsdorffsche Vorbild. Kein Architekt der Gegenwart hat in 16 Jahren für diesen Ort etwas Besseres vorgelegt. Wer nun aber glaubt, dass Rathaus und Bürgerschaft in einen Freudentaumel verfallen, der irrt. Das Projekt steht auf der Kippe. Was ist los?
Es tobt der alte Potsdamer Prinzipienstreit um Bewahren und Verändern. Oberflächlich betrachtet geht es um Baulinien, um Baufluchten. Der einflussreiche Denkmalschutz-Flügel im Stadtparlament, zu dem Grüne, Christdemokraten und einige SPD-Genossen gehören, will das von Land und Rathausspitze ausgehandelte Planwerk verschärfen, so dass das Stadtschloss nur auf den Zentimeter originalgetreu errichtet werden dürfte. Man kann das nach früheren Bausünden à la Potsdam-Center, bei denen alle hinters Licht geführt wurden, sogar verstehen. Natürlich ist am wichtigsten Ort Potsdams exzellente Architektur und Qualität einzufordern. Trotzdem gilt auch hier eine Demarkationslinie – das Geld. Finanzminister Rainer Speer fürchtet bei zu strikten städtischen Vorgaben mit Recht eine Kostenexplosion. Er droht für diesen Fall das Landtags-Schloss abzublasen, den „Kreml“ auf dem Brauhausberg zu sanieren, was billiger wäre. Speer pokert, sicher. Man darf auch bezweifeln, ob seine Drohung klug ist. Er kann sich aber der Zustimmung des Landtages sicher sein. Es fiel Brandenburgs Volksvertretern aus gebeutelten Regionen wie Prignitz, Uckermark und Lausitz schwer genug, in diesen Zeiten 80 Millionen Euro für ein „Landtags-Schloss“ zu bewilligen – und dies den Wählern zu erklären.
Erstaunlicherweise wurde das in Potsdam schnell vergessen. Man muss nach der Mentalität, nach dem Selbstverständnis in dieser Stadt fragen, in der Weitsicht, Kleingeist und Kirchturmdenken dicht beieinander liegen, sich mittlerweile eine merkwürdige Anspruchshaltung und Maßlosigkeit ausbreitet. Niemeyer-Bad? Drunter geht“s nicht. Dass gerade der einzige Theater-Neubau Deutschlands, finanziert vom Land, an die Havel gesetzt wurde? Wird als Selbstverständlichkeit gesehen, der neue Landtag auch. Potsdam beginnt, die Bodenhaftung zu verlieren, sich von den Realitäten und Mentalitäten eines eher verarmenden Landes zu entfernen – und riskiert jetzt sogar, die historische Chance zu verspielen. Mit dem Landtag, dem neuen Stadtschloss, kann diese Stadt in ihrem Bild, in ihrer Silhouette endlich wieder werden, was sie einmal war: Potsdam!
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: