Landeshauptstadt: Potsdams Schlossspurt
Berlin und Potsdam, zwei Städte, zwei verlorene Stadtschlösser. Wie Brandenburgs Hauptstadt den Wettlauf um den Wiederaufbau gewann
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Innenstadt - Da steht es wieder, wie eh und je, Potsdams altes, neues Stadtschloss in seiner Pracht. Im Eiltempo am Alten Markt aufgebaut, gehört es längst zum Bild und Alltag dieser Stadt. Ganz so, als wäre es mit seiner Fassade aus Sandstein, Ockertönen und vergoldeten Wappen-Adlern nicht Jahrzehnte weg gewesen. Die Breite Straße schlängelt sich herum. Aus vorbeifahrenden Straßenbahnen und Autos wird manch neugieriger Blick auf das Bauwerk geworfen, in dem ab Januar 2014 Brandenburgs Landtag residieren soll. Noch laufen mit Hochdruck letzte Innenarbeiten. Neulich brannten nachts erstmals alle Lichter im Schloss, im Hintergrund die dunkle Silhouette der Nikolaikirche. Was für ein Panorama!
Kein Wunder, dass in Potsdam lokalpatriotischer Stolz mitschwingt, wenn am Mittwoch nebenan in der Metropole der Grundstein für den Aufbau des bislang virtuellen Berliner Stadtschlosses gelegt wurde, der Grundstein, erst jetzt. Denn die „kleine, feine Schwester Berlins“ hat den Wettlauf um den Aufbau der verlorenen Residenzschlösser gewonnen, der seit 1990 zwischen beiden Städten tobte. Mit einem Sieg, bei dem man über die Länge des Vorsprungs sogar streiten kann. Der Grundstein in Potsdam wurde vor zweieinhalb Jahren gelegt, im Februar 2011. Oder vielleicht schon ein Jahrzehnt früher? Man kann auch den 8. September 2000 nehmen, als der Aufbau des von TV-Moderator und Wahlpotsdamer Günther Jauch gespendeten Fortunaportals begann, des Schlosseingangs. Das Portal stand dann allerdings jahrelang ziemlich verloren auf dem Alten Markt herum, ehe das Schloss zum Tor folgte.
Ja, und in dieser Zeit sah es wahrlich oft danach aus, als ob Berlin am Ende vorn liegen würde. Die Ausgangslage war ja ähnlich, zwei Städte, zwei verlorene Stadtschlösser preußischer Könige, beide im Weltkrieg beschädigt, danach auf SED-Geheiß abgerissen. Als die Mauer fiel, waren in Berlin wie in Potsdam sofort erste Wiederaufbau-Träume geboren worden, folgten an Spree und Havel manche Irrungen und Wirrungen. Hier wie dort waren die Projekte stets umstritten. In Potsdam, wo das Stadtschloss nun wieder die Mitte prägt, sind viele Momente dieser Vorgeschichte längst vergessen. Die ersten etwa, die im Rathaus sondiert hatten, um das Schloss als Luxushotel aufzubauen, waren 1990 übrigens die Lufthansa und die Commerzbank. Das zerschlug sich, wie manch späterer Anlauf, etwa 2003 der des Kaufhausgründers Werner Otto mit der ECE-Gruppe. Es gab Pläne für ein Kongresszentrum, mal für ein Shopping-Center. Selbst als das Landesparlament sich 2005 durchrang, das seit 1990 benötigte Parlamentsgebäude zu bauen, sogar auf den verödeten Alten Markt, es damit indirekt die Weichen für das Schloss stellte, folgte ein Potsdam-typisches Drama. Das Stadtparlament schaffte es, den Bebauungsplan in zwei Abstimmungen abzulehnen. Geschichte, erledigt, wie auch das zähe Ringen danach, bei dem der Landtag äußerlich immer „mehr Schloss“ wurde.
Nun wird es voraussichtlich Anfang 2014 eingeweiht, womit der Bau immer noch halbwegs pünktlich fertig wäre. Es sieht mittlerweile sogar danach aus, als ob eine „Explosion“ der Kosten ausbleibt, fast. Klar, auch Brandenburgs Landtag wird teurer als geplant. Die wegen politischer Ängste von vornherein unrealistisch gering angesetzten Baukosten von 95 Millionen Euro stiegen mit der 22-Millionen-Spende von Mäzen Hasso Plattner für die Schlossfassade und das Kupferdach zunächst auf rund 117 Millionen Euro. Derzeit feilschen Baufirma BAM und Land, welche Summen dazukommen. Am Ende des Pokers werden die Baukosten für Potsdams Stadtschloss- Landtag – anders als Berlins Pendant zudem außen komplett nach historischem Vorbild – vielleicht bei 130 Millionen Euro liegen. Es wird Kritik geben, manchen Aufschrei. In Berlin dürften derlei Summen allenfalls Neid oder müdes Lächeln auslösen: Wohl jedes größere öffentliche Gebäude, das in der Hauptstadt gebaut wurde, jedes Bundesdomizil, jede Versicherungszentrale war teurer. Die Sanierung der Staatsoper ist bereits bei 285 Millionen Euro angelangt. Für das ICC kalkuliert der Senat mit 330 Millionen Euro, für die neue Landesbibliothek auf dem Tempelhofer Flugfeld 270 Millionen Euro. Das Berliner Stadtschloss, ein deutlich größerer Bau als das filigrane Potsdamer „Schlösschen“, soll mit 590 Millionen Euro zu Buche schlagen, bislang, abwarten. Nein, wie wie man es auch dreht: Beim Wettlauf um das Stadtschloss hat Potsdam gegenüber Berlin die Nase vorn.
Thorsten Metzner
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