Landeshauptstadt: Schiffsbauch im Ultraschall
Potsdams Theaterschiff „Sturmvogel“ ist durch den TÜV. Alles top, so das Sachverständigen-Gutachten
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Den Hammer in der Hand, holt Dietmar Kern aus und haut gegen die Schiffswand. Der über 50 Meter lange Rumpf antwortet mit einem tiefen Donnern. Die Umstehenden zucken zusammen. Der Schiffssachverständige aber lächelt zufrieden. „Alles toppi“, lautet das abschließende Urteil.
Von „Neuanstrich bis verschrotten“reichte die Spanne der Prüfergebnisse, mit denen Sebastian G. Bandt, Geschäftsführer des Potsdamer Theaterschiffs, gerechnet hatte. Er ist erleichtert, dass nun wirklich nur die regelmäßigen Wartungsarbeiten und ein bisschen Farbe nötig sind. Bei der Tourneefahrt der „Stadt-Spiel-Truppe“ durch die wenig schiffbare polnische Warthe im vergangenen Jahr hatte es „häufiger gerumst“, einmal sei man sogar aufgelaufen, erinnert sich Sebastian Bandt. Das alles sei aber ohne Folgen geblieben, wie sich bei der Prüfung am Montag zeigte.
Es riecht nach Schiffsdiesel und Fisch in der Spandauer Werft, wo die „Sturmvogel“ im Trockendock liegt. Mit Hochdruck wurde bereits der Unterboden von winzigen Miesmuscheln befreit. Die blinden Passagiere hatten sich zu Hunderten hier angesiedelt. Die Gesichter der Helfer sind vom Spritzwasser schwarz, die Augen weiß umrandet vom Abdruck der Schutzbrillen. Die Ensemblemitglieder der Stadt-Spiel-Truppe und Freiwillige helfen, den Spielort wieder auf Vordermann zu bringen. Acht Mann übernachten sogar während der Werftwoche auf dem Theaterschiff und verpflegen sich selbst. Für die Dockarbeiter ein ungewöhnliches Bild, für die Theatermacher eine interessante Erfahrung.
„Es ist gut zu sehen, dass das alte Schätzchen gepflegt wird“, sagt der Sachverständige Dietmar Kern. Zuvor hatte er die Dicke der Bleche am Schiffsboden an mehr als drei Dutzend verschiedenen Stellen gemessen. Dazu benutzt der Prüfer ein Ultraschallgerät, das ähnlich funktioniert wie das medizinische Instrument. Allerdings werden beim Schiffsbauch keine Bilder, sondern nur Zahlen geliefert. „Bei einem Schiff dieser Größe muss das Blech mindestens vier Millimeter dick sein“, erklärt der Sachverständige. An nur zwei Prüfpunkten hat das schützende Metall die Minimalstärke. Das aber seien „Ausrutscher“, sagt Prüfer Kern. Die meisten Stellen sind noch sechs bis sieben Millimeter dick. Es habe sich ausgezahlt, das 80 Jahre alte Segelschiff einmal grundüberholt zu haben. Das geschah Mitte der 90er Jahre. Jetzt müsse die Sturmvogel nur noch alle fünf Jahre durch den TÜV, sagt Sebastian G. Bandt.
Das sei aber immer mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden. „Wir können ja nicht selbst in die Werft fahren“, so Bandt. Das ginge nur im Schubverband. Auch das Abspritzen und der Spezialanstrich des Unterbodens werde in Auftrag gegeben. Diesmal müssten außerdem zwei Bullaugen ausgetauscht werden. Insgesamt kostet die Pflegekur für das Schiff 17 500 Euro, die sich die Stiftung der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, Stadt und Land teilten.
Mit Rücksicht auf die am Wochenende an der Alten Fahrt stattfindende Angel- Weltmeisterschaft werde das Theaterschiff samt Spieltruppe erst am kommenden Montag wieder in Potsdam einlaufen. Dort erfolge auch die große TÜV-Abnahme des Decks. Überprüft würden dabei unter anderem sicherheitsrelevante Dinge wie Feuerlöscher und Schwimmwesten. Mit einer 80er-Jahre-Party am 16. August werde dann das Sommerprogramm mit neuem Prüfsiegel fortgesetzt. Tags darauf folge ein Sommerkonzert. Theater gespielt werde erst wieder am 30. August mit dem Stück „Qiujotes letzter Auszug“ – eine Wiederauflage aus dem vergangenen Jahr, denn zu Proben komme man derzeit nicht. Kreativ sei die Atmosphäre zwischen Schleifgeräuschen und Lackgeruch trotzdem. „Das hat was“, sagt der künstlerische Leiter Bandt.
Nicola Klusemann
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