Landeshauptstadt: „Statt Tragödien lieber Komödien“
Andreas Hueck vom Poetenpack über die Höhen und Tiefen beim Sommertheater
Stand:
Herr Hueck, Sommerzeit ist nicht gerade Theaterzeit, zumindest an den öffentlichen Häusern. Ab Mitte Juli macht das Hans Otto Theater seine Sommerpause. Geht auch das Poetenpack in die Ferien?
Im Gegenteil, wir nutzen diese Zeit.
In welcher Form?
In dem wir Sommertheater an besonderen Orten mit besonderer Kulisse anbieten. Nicht im Theatersaal sondern unter freiem Himmel. Wir spielen auch über das Jahr verteilt etwa 40 Vorstellungen in Theaterhäusern. Aber unsere Hauptsaison ist das Freiluftspiel im Sommer.
Beschränkt sich diese Freiluftsaison nur auf Brandenburg?
Nein, seit drei Jahren treten wir auch in Niedersachsen bei den Hünnefelder Schlossfestspielen auf, ebenso in Havelberg, Beeskow und Hoyerswerda. Regelmäßig sind wir in Magdeburg, wo ich früher am Theater war. Dort haben wir mittlerweile ein treues Publikum. Unser Ziel ist es, deutschlandweit unterwegs zu sein.
Wie viele Stücke bringt das Poetenpack im Sommer auf die Bühne?
Anfangs war es ein Stück pro Sommer. Seit 2005 gehen wir immer mit zwei Produktionen auf Sommertour. Im vergangenen Jahr waren es drei. In diesem Sommer sind wir sowohl mit den bestehenden Produktionen „Pippi Langstrumpf“, „Der zerbrochene Krug“, und „Hamlet“ als auch den neuen Stücken „Don Quijote“ und „Wie es euch gefällt“ unterwegs.
Wie schaffen Sie es bei der bekannten schlechten finanziellen Situation freier Theater so viele Produktionen auf die Bühne zu bringen?
Die Freiheit lässt viel zu. Das geht natürlich nur mit der entsprechenden Begeisterung und einer gewissen Selbstausbeutung der Beteiligten und einer möglichst adäquaten Finanzierung. Wenn wir Stücke neu produzieren, ist dies für alle Beteiligten meist ein finanzieller Engpass.
Wie finanziert sich das Poetenpack?
Den Hauptteil, etwa 80 Prozent, durch Eigeneinnahmen und wenn wir von Veranstaltern eingekauft werden. Nur etwa 20 Prozent werden durch öffentliche Förderung abgedeckt. Wir haben derweil einen Jahresumsatz von etwa 260 000 Euro, mit 130 Veranstaltungen im Jahr. Wir touren deutschlandweit wie kein anderes freies Theater aus Brandenburg, ausgenommen vielleicht das Wandertheater „Ton und Kirschen“ aus Glindow. Das Ziel, als Tourneetheater auf sichereren Füßen zu stehen als bisher, ist jedoch noch nicht erreicht. Im ersten Quartal des Jahres kauen wir regelrecht Schuhsohlen.
Wie setzt sich die Förderung zusammen?
Wir bekommen 10 000 Euro vom Land Brandenburg und von der Stadt 25 000 Euro. Mit der städtischen Förderung wird eine feste Stelle finanziert, die die ganze Büroarbeit inklusive Buchhaltung macht. Wir haben einen Bus und eine Lichttechnik vom Land bekommen, worüber wir uns sehr freuen und wodurch uns die Arbeit erheblich erleichtert wird. Aber wir müssen sehr kämpfen.
Das brandenburgische Kulturministerium gibt im Vergleich zu anderen Bundesländern viel Geld für freie Theater aus, spricht sogar davon, dass die Förderung in Brandenburg vorbildlich sei. Eigentlich müsste es Ihnen doch gut gehen.
Ich kann nicht sagen, dass es uns wirklich gut geht. Wenn ich hochprofessionelle Schauspieler nur einladen kann, für ein Handgeld am Abend zu spielen, ist das eigentlich beschämend.
Wie gestaltet sich die künstlerische Vorbereitung, das Einstudieren der Stücke? Müssen Sie wegen des fehlenden Geldes Abstriche bei den Proben machen?
Das Künstlerische ist das Wichtigste. Wir planen wie an einem großen Haus acht Wochen Probenzeit. Aber die Schauspieler stehen nicht von morgens bis abends dem Regisseur zur Verfügung. Die Spieler müssen noch nebenbei jobben, haben Auftritte oder andere Verpflichtungen. Dies führt immer zu Einschränkungen.
Wie fing alles an?
Das Poetenpack ist aus der Idee heraus entstanden, Projekte zu machen. Die ersten Theaterprojekte haben wir 1996 auf die Bühne gebracht. Zwei Jahre später haben wir das Poetenpack gegründet und 1999 unsere erste Aufführung unter diesem Namen realisiert.
Und wer gehört zum Poetenpack?
Wir sind vier im Kernteam, dazu ein Pool von 80 freischaffenden professionellen Künstlern und Projektleitern.
Was für Publikum erreichen Sie mit Ihren Aufführungen?
Wir machen insgesamt ein generationenübergreifendes Programm. Mit „Pippi feiert Geburtstag“ haben wir zum ersten Mal ein Familienstück herausgebracht.
Klassische Autoren wie Shakespeare und Kleist prägen Ihr Programm. Es kann der Eindruck entstehen, dass Sie bei der Wahl der Autoren auf Sicherheit setzen, weil man sie kennt. Sind Sie als freies Theater wegen der zwingenden Einnahmen eingeschränkter in der Auswahl der Stücke?
Shakespeare und Kleist gehören auf alle Fälle zu meinen persönlichen Favoriten in der Dramatik. Ich bewundere den sprachlichen Reichtum ihrer Stücke und bin sehr interessiert an den widersprüchlichen Figuren, die sie geschrieben haben. Außerdem kommt Kleists „Der zerbrochene Krug“ gut an, das ist ein Klassiker, den Dorfrichter Adam kennt man. Wir achten natürlich bei der Stückauswahl auch darauf, wen wir damit erreichen können.
Klappt das immer?
Nein, „Leonce und Lena“ von Georg Büchner hat auf dem Land beispielsweise nicht gut funktioniert. Auch die Erfahrung mussten wir machen, dass sich Tragödien zumindest finanziell nicht für Sommertheater eignen.
Selbst Shakespeares Tragödien?
Im vergangenen Sommer haben wir das Experiment gewagt mit der Tragödie „Hamlet“ auf Tournee zu gehen. Im Ergebnis hatten wir die schlechtesten Zuschauerzahlen in einem Sommertheater überhaupt, was zum Teil auch am Wetter lag. Mit der Komödie „Der Widerspenstigen Zähmung“ hatten wir in Potsdam im Durchschnitt 300 Besucher pro Abend. Bei „Hamlet“ waren es 125.
Also haben Sie lernen müssen: Komödien kommen besser an als Tragödien.
Im Sommer scheinbar schon. Aber manchmal kommt der Erfolg auch später. Wir sind jetzt mit dem Hamlet im Juli auf beim Shakespeare-Festival im Globe-Theater in Neuss eingeladen. Im Herbst folgen Gastspiele in Rheine und Gifhorn. Sogar für das Jahr 2009 gibt es Planungen, mit diesem Stück weiter auf Tournee zu gehen.
Freies Theater heißt doch auch, die Freiheit zu haben, zu spielen, was man möchte.
Das ist ein altes Klischee. Denn das ist ja die Schwierigkeit unseres freien Theaters. Wir müssen uns zu 80 Prozent über die Einnahmen finanzieren. Und wir machen kein freies Theater, weil wir experimentieren wollen. Wir fühlen uns dem klassischen Theater, gutem Schauspielhandwerk, der Sprache und klassischer Musik verbunden. Wir denken nicht zwingend, dass wir ständig etwas Modernes wagen müssten. In Abständen entwickeln wir aber auch neue Stücke wie beispielsweise „Mozart & Casanova“. Mittlerweile führen wir ein Repertoire von 18 verfügbaren Stücken.
Gibt es eigentlich eine Zusammenarbeit mit dem städtischen Hans Otto Theater?
Die gibt es nicht. Obwohl es wünschenswert wäre.
Vielleicht wird sich das ja mit dem neuen Intendanten Tobias Wellemeyer ändern, wenn er 2009 von Magdeburg nach Potsdam wechselt.
In Magdeburg hat er, was die Offenheit für die freie Szene betrifft, nicht gerade einen guten Ruf. Ich weiß von befreundeten Theaterleuten aus Magdeburg, dass sie keine Werbung im städtischen Theaterhaus auslegen dürfen. Was das betrifft, habe ich da wenig Hoffnungen.
Doch zurück zum Sommer. Wann ist das Poetenpack wieder zu erleben.
Schon am Sonntag um 16 Uhr. Da treten wir mit dem Stück „Venus und Adonis“, das wir schon seit 1997 in unserem Programm haben, in Schloss Ziethen, bei Groß Ziehten auf. Eine wunderbare Sommernachtsgeschichte von William Shakespeare mit Liedern von Henry Purcell.
Das Gespräch führte Dirk Becker
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