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Landeshauptstadt: „Straße der Besten“ beschlagnahmt

Staatsanwaltschaft prüft, ob Edmund Stoiber als „Chefredakteur des Schwarzen Kanals“ üble Nachrede oder Kunst ist

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Staatsanwaltschaft prüft, ob Edmund Stoiber als „Chefredakteur des Schwarzen Kanals“ üble Nachrede oder Kunst ist Von Juliane Wedemeyer Gestern hingen sie noch an der Hauswand der Szenekneipe La Leander – die Plakate der „Straße der Besten“. Nun sind sie weg. Beschlagnahmt durch die Potsdamer Polizei – von Amts wegen. Gestern gegen 15 Uhr haben vier Polizisten die fünf Bilder entfernt, auf denen die Köpfe bekannter bundesdeutscher Politiker neben Hammer und Zirkel im Ährenkranz prangten, so Polizeisprecherin Angelika Christen. Jetzt sind sie „sichergestellte Beweismittel“, so steht es im Beschlagnahme-Protokoll der Polizei. Das sei das „einzige Schriftliche“, das der Inhaber der Kneipe und Initiator der Ausstellung „65 Jahre DDR“ Jirka Witschak von den Beamten bekommen hat. Die Staatsanwaltschaft müsse jetzt prüfen, ob die Bilder in Öffentlichkeit der Kurfürstenstraße den Tatbestand der „üblen Nachrede“ erfüllen, so Christen. Denn die Politiker sind nicht nur mit dem DDR-Banner darauf abgebildet. Zusätzlich hatte Witschak noch ihre fiktiven Berufe dazugeschrieben. Die Fassade des roten Holländer-Hauses war Anfang Oktober zur „Straße der Besten“ geworden. Schon von weitem angekündigt durch eine DDR-Flagge: Hatte da der Inhaber vom La Leander und Urheber der Ausstellung einen nostalgischen Moment? Nein, „Ich wollte einfach zeigen, was wäre wenn wir heute noch in der DDR lebten“, erklärt Witschak. Die Leute hätten im vergangenen Jahr so viel darüber gesprochen, wie toll es in der DDR gewesen sei – über die billigen Mieten und Brötchen. Darum hängen im Lokal auch die Porträts junger Potsdamer in FDJ- Hemden: „Von wegen Freiheit – alle sahen gleich aus.“ In diese „rein hypothetischen“ Überlegung habe er die heutigen Politiker eben mit einbezogen: Jörg Schönbohm, Guido Westerwelle, Oscar Lafontaine und Hans-Jürgen Scharfenberg. So kommt sogar Edmund Stoiber in eine DDR-Ausstellung – als „Chefredakteur des Schwarzen Kanals“. Das hätte „einfach gepasst“. Seine Frustiertendebatte das sei schon ideologische Wahlpropaganda des CSU- Politikers gewesen, um die Bayern auf seine Seite zu ziehen. Das erinnere doch stark an Carl Eduard von Schnitzler, der jahrelang als Oberagitator durchs DDR- Fernsehen spukte. Hans Jürgen Scharfenberg – vor 1989 noch wissenschaftlicher Mitarbeiter der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften „Walter Ulbricht“ in Babelsberg – wurde in Witschaks Ausstellung zum Betonfacharbeiter. „Ohne Wende hätte er es ja nicht in den Landtag schaffen können!“, so Jirka Witschak. Zudem habe Scharfenberg eine Vorliebe für Plattenbau-Gebiete, da sei „Betonfacharbeiter“ als Beruf doch ganz treffend. Der Wirt versteht seine Ausstellung als Kunst und hatte extra ein großes Hinweisschild: „Das ist Kunst!“ neben die Plakate geklebt. Die meisten Leute hätten das auch verstanden. „Der Renner“ sei laut Witschak übrigens Edmund Stoiber gewesen: „Über den haben sich die Passanten und Kneipengäste am meisten gefreut.“ Allerdings habe auch das „Kunst“-Hinweisschild den La Leander-Inhaber nicht vor einer Anzeige retten können, so Christen. Es sei ja keine Kunstausstellung im öffentlichen Raum genehmigt worden, so Christen. Innerhalb der Kneipe hätte es mit den Plakaten laut Christen übrigens keine Probleme gegeben. „Jemand hat uns den Hinweis gegeben.“ Nach Rücksprache mit dem Staatsanwalt habe die Polizei handeln müssen. Jirka Witschak sieht das etwas anders: „Hier wird das Bürgerrecht der Meinungsäußerung eingeschränkt!“

Juliane Wedemeyer

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